Augustinus von Hippo
Die einzige echte freiheit ist die derjenigen, die glücklich sind und sich an das ewige Gesetz halten; Ich spreche von der Art Freiheit, die Menschen im Sinn haben, wenn sie sich für frei halten, weil sie keine menschlichen Herren haben, oder die sie wünschen, wenn sie von ihren Herren befreit werden wollen. Dann kommen Eltern, Geschwister, Ehepartner, Kinder, Nachbarn, Verwandte, Freunde und alle, die durch irgendeine Notwendigkeit an uns gebunden sind. Als nächstes kommt die Stadt selbst, die häufig den Platz der Eltern einnimmt, zusammen mit Ehrungen, Lob und dem, was man Volksbeifall nennt. Und schließlich kommt das Eigentum, das all das umfasst, worüber uns das Gesetz Kontrolle gibt und das wir anerkanntermaßen verkaufen oder verschenken dürfen.
Das ist unsere freiheit, wenn wir uns der Wahrheit unterwerfen; und die Wahrheit ist Gott selbst, der uns vom Tod, d.h. vom Zustand der Sünde, befreit. Denn diese Wahrheit spricht als Mensch zu denen, die an ihn glauben, und sagt: „Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wahrhaft meine Jünger. Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen.“ Denn die Seele erfreut sich an der Freiheit nur, wenn sie diese in Sicherheit genießt.
Nun ist niemand sicher, wenn er Güter genießt, die wider seinen Willen verloren werden können. Aber niemand kann Wahrheit und Weisheit gegen seinen Willen verlieren, denn niemand kann von dem Ort getrennt werden, an dem sie sind. Was wir als Trennung von Wahrheit und Weisheit bezeichneten, ist in Wirklichkeit nur ein verdrehter Wille, der minderwertige Dinge liebt, und niemand will etwas unwillentlich. Wir alle können sie beide gleichermaßen und gemeinsam genießen; es gibt reichlich Platz, und es mangelt an nichts. Sie empfangen alle ihre Verehrer ohne Neid; sie gehören allen, und doch sind sie jedem treu.
Augustinus, On Free Choice of the Will, trans. Thomas Williams (Hackett, 1993), 25, 57. Übers. aus dem Engl. Verwendet mit Genehmigung.
Dorothee Sölle
Für mich ist das wort freiheit ein immer wichtigeres Wort geworden, und ich meine auch, dass jede Generation das Recht hat, dieses Wort zu definieren. Das heißt, wenn sie das Recht hat, dann hat sie auch die Pflicht, das zu tun, und es neu zu definieren. Und für mich, die ich viel in der europäischen und der transatlantischen Friedensbewegung gearbeitet habe, wäre Freiheit, ein tieferer, innerer Begriff von Freiheit, erst erreicht, wenn wir bombenfrei wären und giftgasfrei und Rüstungsindustrie-frei und frei von diesem gesamten Krebs, der unser ganzes Leben überwuchert, der unsere Städte bestimmt, der unsere Forschung beherrscht, der unsere Landschaften mit seinen Tiefflügen terrorisiert, dass die Schulkinder nachts aufschreien und weinen, weil sie so oft gestört werden.
Freiheit, wirkliche Freiheit, ist für mich immer stärker eine Sehnsucht geworden nach einer Freiheit von der furchtbarsten Geißel der Menschheit, dem Krieg. Eines Tages werden vielleicht einmal die Menschen so über den Krieg und die Kriegsvorbereitung reden, wie wir heute über die Sklaverei reden. Vielleicht wird einmal der Tag kommen, an dem die Menschen begreifen: Es geht ohne die atomare Sklaverei und ohne die konventionelle Sklaverei und ohne die chemische Sklaverei und ohne alle Formen dieser Sklaverei, die uns den Geist aus den Köpfen zieht und für ihren Wahnsinn benutzt (. . .). Ich glaube, dass wir Freiheit richtig definieren, wenn unsere Begriffe mit uns selber wachsen und nicht hinter uns zurückbleiben, das heißt: wenn unser eigenes geistiges Wachstum, unsere Erkenntnis, unsere Wahrheitsfähigkeit, unsere Wahrheitssuche wachsen, so dass wir unsere Begriffe auch anders und wirklicher füllen. Also möchte ich am liebsten beten: ,,Mach mich frei, Gott, von der furchtbaren historischen Rolle der Mittelklasse der reichen Länder.“ Mein Durst nach Befreiung wächst. Wo aber der Geist Gottes ist, da ist Befreiung: liberacion, nicht nur libertas – der Prozeß der Befreiung. Je mehr Geist Gottes, desto sichtbarer werden uns die Gefängnisse, in denen wir leben, und an denen wir bauen, und in denen wir andere verkommen lassen.
Dorothee Sölle, Freiheit als Durst nach Befreiung, Predigt November 1988. Mit freundlicher Genehmigung von © JUNGE KIRCHE · Ausgabe 45 (1989), H. 4, S. 210–214.
Oscar Romero
Es kann keine freiheit geben, solange im Herzen Sünde ist. Was nützt es, Strukturen zu verändern? Was nützen Gewalt und Waffen, wenn die Motivation Hass ist und der Zweck darin besteht, die Mächtigen zu stützen oder sie zu stürzen und dann neue Tyranneien zu schaffen? Was wir in Christus suchen, ist wahre Freiheit, Freiheit, die das Herz verwandelt, Freiheit, die der auferstandene Christus uns heute verkündet: „Trachtet nach dem, was droben ist“ (Kol 3,1). Betrachtet die irdische Freiheit und die Unterdrückung durch dieses ungerechte System in El Salvador nicht nur von den Dächern herab. Schaut nach oben! Das bedeutet nicht, sich mit der Situation abzufinden, denn auch Christen wissen, wie man kämpft. Sie wissen sogar, dass ihr Kampf kraftvoller und tapferer ist, wenn er von diesem Christus inspiriert ist, der nicht nur die andere Wange hinhielt und sich ans Kreuz nageln ließ. Dadurch dass er sich kreuzigen ließ, hat er die Welt erlöst und die endgültige Siegeshymne gesungen, den Sieg, der nicht für andere Zwecke verwendet werden kann, sondern denen zugute kommt, die wie Christus die wahre Befreiung des Menschen suchen.
Diese Befreiung ist ohne den auferstandenen Christus nicht zu verstehen, und das wünsche ich euch, liebe Schwestern und Brüder, vor allem denjenigen unter euch, die ein so großes soziales Bewusstsein haben und sich weigern, die Ungerechtigkeiten in unserem Land hinzunehmen. Es ist wunderbar, dass Gott euch diese leidenschaftliche Sensibilität gegeben hat, und wenn ihr eine politische Berufung habt, dann sei Gott gepriesen! Pflegt sie gut, und passt auf, dass ihr diese Berufung nicht verliert. Ersetzt diese soziale und politische Sensibilität nicht durch Hass, Rachsucht und irdische Gewalt. Hebt eure Herzen in die Höhe und denkt an die Dinge, die oben sind!
Oscar Romero, Predigt vom 15. April, 1979, aus A Prophetic Bishop Speaks to His People: The Complete Homilies of Archbishop Oscar Arnulfo Romero, 6 vols., trans. Joseph Owens (Convivium, 2016), 4:372–73. Übers. aus dem Engl. Abgedruckt mit Genehmigung.
Die Weiße Rose
Die Weiße Rose, eine geheime Widerstandsbewegung von Studenten in Nazi-Deutschland, druckte und verteilte Flugblätter, um die Gräueltaten der Nazis aufzudecken. 1943 wurden sie von der Gestapo verhaftet und hingerichtet. Sophie Scholl war 21 Jahre, ihr Bruder Hans 24 Jahre, Christoph Probst 23 Jahre, Alexander Schmorell und Willi Graf waren 25 Jahre alt.
Überall und zu allen zeiten haben die Dämonen im Dunkeln gelauert auf die Stunde, da der Mensch schwach wird, da er seine ihm von Gott auf Freiheit gegründete Stellung im ordo eigenmächtig verläßt, da er dem Druck des Bösen nachgibt, sich von den Mächten höherer Ordnung loslöst und so, nachdem er den ersten Schritt freiwillig getan, zum zweiten und dritten und immer mehr getrieben wird mit rasend steigender Geschwindigkeit – überall und zu allen Zeiten der höchsten Not sind Menschen aufgestanden, Propheten, Heilige, die ihre Freiheit gewahrt hatten, die auf den Einzigen Gott hinwiesen und mit seiner Hilfe das Volk zur Umkehr mahnten. Wohl ist der Mensch frei, aber er ist wehrlos wider das Böse ohne den wahren Gott, er ist wie ein Schiff ohne Ruder, dem Sturme preisgegeben, wie ein Säugling ohne Mutter, wie eine Wolke, die sich auflöst.
Gibt es, so frage ich Dich, der Du ein Christ bist, gibt es in diesem Ringen um die Erhaltung Deiner höchsten Güter ein Zögern, ein Spiel mit Intrigen, ein Hinausschieben der Entscheidung in der Hoffnung, daß ein anderer die Waffen erhebt, um Dich zu verteidigen? Hat Dir nicht Gott selbst die Kraft und den Mut gegeben zu kämpfen?
Aus dem vierten Flugblatt der Weißen Rose: München, 1942–1943.