Johannes von Antiochia, gest. 407, war Erzbischof von Konstantinopel. Im 6. Jahrhundert wurde ihm der Beiname "Chrysostomus" (=Goldmund) gegeben. Für das westliche Christentum ist er einer der vier Kirchenlehrer des Ostens.

Was soll ich euch sagen? Was soll ich euch erzählen? Ich sehe eine Mutter, der neues Leben geschenkt wurde; ich sehe ein Kind, das ins Licht der Welt geboren wurde. Ich kann nicht verstehen, wie sich seine Empfängnis zugetragen hat. Die Natur hat geruht, während Gottes Wille am Werk war. Oh, unaussprechliche Gnade!

Der Einziggeborene, vor aller Zeit erschienen, unfassbar und unerkannt, einfach, ohne Gestalt, hat nun meinen Leib angenommen, der sichtbar ist und sterblich. Was ist sein Sinn? Dieses sein Kommen mag er uns deuten und uns bei der Hand nehmen und Dinge zeigen, die wir Sterblichen nicht sehen können. Denn seit wir glauben, dass wir uns mehr auf unsere Augen als auf unsere Ohren verlassen können, bezweifeln wir alles, was wir nicht sehen; und so hat er sich dazu herabgelassen, sich in leiblicher Gestalt zu zeigen, um alle Zweifel zu beseitigen.

Stanley Fletcher

Er wurde geboren von einer Jungfrau, die nichts wusste von seiner Bedeutung; weder hatte sie sich bemüht, es von ihm herauszufinden, noch hatte sie sich an seinem Dienst beteiligt. Sie war nichts als das Instrument seiner verborgenen Macht. Alles was sie wusste hatte sie aus der Antwort Gabriels gehört als sie ihn fragte: "Wie soll das geschehen, da ich doch von keinem Manne weiß?" Darauf sagte dieser zu ihr: "Der Heilige Geist wird auf dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten."

Und wie kam dieser Allerhöchste zu ihr, den sie gebar? Er war wie der Handwerker, der geeignetes Material verwendet, um sich ein schönes Gefäß zu schaffen; als Christus den heiligen Leib und die Seele der Jungfrau fand, erbaute er sich einen heiligen Tempel und erschuf sich einen Menschen aus der Jungfrau, und schämte sich nicht der Niedrigkeit unserer Natur.

Was soll ich sagen? Und wie soll ich euch diese Geburt erklären? Dieses Wunder füllt mich mit Ehrfurcht. Der Erste der Zeit wird zum Kind. Er, der auf dem Thron des Höchsten sitzt, liegt in einer Krippe. Und er, der Unberührbare, Unfassbare ist nun den Menschen ausgeliefert. Er, der die Fesseln der Sünder gelöst hat, ist nun nichts weiter mehr als ein Kind.

Aber er hat gezeigt, dass Schande zur Ehre wird, dass Schmach in Ruhm gekleidet und schmähliche Erniedrigung zum Maßstab seiner Göttlichkeit wird. Dazu hat er meinen Leib angenommen, damit ich seines Wortes würdig werde. Indem er mein Fleisch annimmt, gibt er mir seinen Geist. Und so, indem er schenkt und ich empfange, macht er mein Leben lebenswert. Er benutzt mein Fleisch, um mich zu heiligen; er gibt mir seinen Geist, um mich zu retten.

Die ganze Geschichte dieser Geburt ist ein Wunder. Denn an diesem Tag wurde die alte Sklaverei beendet, der Teufel entmachtet, die Dämonen in die Flucht geschlagen, die Macht des Todes gebrochen. An diesem Tag wurden die Tore des Paradieses wieder geöffnet, der Fluch wurde hinweggenommen, der Irrtum verjagt, der Makel vertrieben, die Wahrheit zurück gebracht, die Sprache der Liebe wieder entdeckt und nach allen Seiten verbreitet – ein himmlisches Leben wurde der Erde eingepflanzt, Engel sprechen mit Menschen ohne Angst, und wir können nun wieder ohne Angst mit Engeln Zwiesprache halten.

Warum das? Weil Gott nun auf Erden ist und der Mensch im Himmel; alle Dinge sind verwandelt. Er ist zur Erde gekommen, und ist zugleich völlig im Himmel. Und dass er im Himmel vollkommen ist, bedeutet keine Schmälerung auf Erden. Obwohl er Gott war, wurde er Mensch; doch er verleugnete nicht seine Göttlichkeit. Obwohl er das unveränderliche Wort ist, wurde er Fleisch und wohnt unter uns.

Was soll ich sagen? Was soll ich erzählen? "Siehe, ein Kind, gewickelt in Windeln und in einer Krippe liegend." Maria ist da, zugleich Jungfrau und Mutter. Joseph ist dabei, der Vater genannt wird. Sie sind Mann und Frau und tragen ihren Namen, wie das Gesetz es bestimmt, doch es gibt kein anderes Band. Wir sprechen hier von Worten, nicht von "Realitäten".

Doch ihm, der aus der Unordnung einen klaren Weg gewiesen hat; ihm, dem Vater und dem Heiligen Geist, entbieten wir Lob und Dank – jetzt und immerdar.


Übersetzt aus Watch for the Light, Wort zum 25. Dezember. Ursprünglich aus The Joys of Christmas, The Living Testament, The Essential Writings of Christianity since the Bible, New York, Harper and Row, 1985.