Subtotal: $
Checkout„Ich bin gekommen, um auf der Erde ein Feuer anzuzünden; ich wünschte, es würde schon brennen! Aber vor mir steht eine Taufe, mit der ich noch getauft werden muss, und wie schwer ist mir das Herz, bis sie vollzogen ist!“ Luk.12,49-50.
Was für ein Feuer will Christus auf Erden anzünden? Es ist das Feuer des heiligen Geistes, wie schon Johannes der Täufer geweissagt: „der nach mir kommt, wird euch mit Geist und Feuer taufen.“ Demgemäß erschien auch am Tage der Pfingsten der Heilige Geist in Feuerzungen. Auch dieses Feuer hat zunächst eine verzehrende Kraft. Es ist ein Feuer der Zwietracht und des Kampfes, das der Herr hineinwirft in die Brust des Sünders, um ihn aus Schlaf und Tod zu erwecken nach seinem Wort: „Ich bin nicht gekommen Friede zu bringen, sondern das Schwert.“ Denn es verzehrt Finsternis, Sünde und Verderben. Darum ist es Allen verhasst, die ungestört in der Fäulnis dieser Welt verharren wollen und erzeugt einen heißen Kampf der Feinde gegen die Jünger des Herrn.
Denn es verzehrt Finsternis, Sünde und Verderben. Darum ist es Allen verhasst, die ungestört in der Fäulnis dieser Welt verharren wollen und erzeugt einen heißen Kampf der Feinde gegen die Jünger des Herrn.
Wo es aber seine verzehrende Kraft bewährt hat, da wird es auch ein beseligendes Feuer. Es erleuchtet die Herzen der Gläubigen und führt sie zur Erkenntnis Gottes. Es reinigt die Seelen von Sünde und Schuld und erhebt sie zur innigen Lebensgemeinschaft mit Gott. Seine heiligen Flammen steigen als anbetende Liebe empor zum Vater des Lichts und erglühen in selbstloser Hingabe für das Wohl des Nächsten. Wo dieses Feuer brennt, da ist der Himmel auf Erden. Das empfanden die Jünger von Emmaus, als sie sprachen: „Brannte nicht unser Herz, da er auf dem Wege mit uns redete?“
Wenn nun der Herr auf seiner letzten Reise ausruft: „Ich wünschte, es würde schon brennen!“ — so öffnet er den Seinem damit einen tiefen Einblick in die inneren Vorgänge seines Gemütes. Er trägt dieses Feuer in sich selber und weiß, dass es zünden muss. Er sieht es in seinen Jüngern erglühen, sieht, wie es weiter greift von Herz zu Herz, von Volk zu Volk, wie die Feuerzeichen flammen von Land zu Land, von Jahrhundert zu Jahrhundert. Ja, er schaut endlich in dem Element des ewigen Lichtes den neuen Himmel und die neue Erde strahlen. Nach diesem Zeitpunkt ergreift ihn eine mächtige Sehnsucht.
Dem heiligen Feuer wälzt sich eine furchtbare Flut entgegen. Es ist die Flut des Leidens, seines Todes. Das ist seine Taufe, seine Bluttaufe. Er weiß, was ihm bevorsteht, aber er geht hinein in der Kraft der Liebe.
Doch hier wälzt sich ein großes Aber, eine tiefe Wehmut zwischen seine Sehnsucht und deren Erfüllung. Welch ein Kampf muss noch gekämpft, welch ein Opfer muss noch gebracht werden, bevor seine Aufgabe erfüllt ist. Darum sagt er: „Aber vor mir steht eine Taufe, mit der ich noch getauft werden muss, und wie schwer ist mir das Herz, bis sie vollzogen ist!“ Dem heiligen Feuer wälzt sich eine furchtbare Flut entgegen. Es ist die Flut des Leidens, seines Todes. Das ist seine Taufe, seine Bluttaufe. Er weiß, was ihm bevorsteht, aber er geht hinein in der Kraft der Liebe. Und er schämt sich nicht, sein Bangen einzugestehen. „Wie schwer ist mir das Herz!“ sagt er. Es ergreift uns, wenn er redet, es zwingt uns zur Bewunderung, wenn er Kranke heilt, Tote erweckt, Stürme und Wogen stillt. Anbetend werden wir niedersinken, wenn wir ihn einst schauen als Richter der Welt. Aber wenn der himmlische Held bangt, wenn seine Seele zittert, wenn er sein Bangen trostsuchend vor seinen Jüngern ausschüttet, dann müssen auch harte Herzen weich werden. Da müssen wir ausrufen: ja Du bist unser, wir sind Dein! Wo das geschieht, da hat schon sein Feuer gezündet — da brennt es schon.
Johannes Ernst von Holst (1828-1898) war evangelischer Pfarrer und Stadtprediger in Riga und veröffentlichte diese Andachten 1895.