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    Auf dem Weg vom Tod zum Leben

    Auferstehung und Erneuerung des christlichen Lebens

    von Kardinal Kurt Koch

    Samstag, 30. März 2024

    Verfügbare Sprachen: English

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    „Mitten im Leben sind wir mit dem Tod umfangen“: Mit diesem sehr kurzen, aber inhaltsschweren Satz aus einem der bedeutenden Choräle der Christenheit wird eine unbestreitbare Lebenserfahrung von uns Menschen formuliert, die wir immer wieder im Wegsterben von uns lieben und nahen Menschen machen müssen. Der Satz bringt die harte Wahrheit und nackte Realität auch des eigenen menschlichen Lebens zur Sprache, dass wir stets auf dem Weg vom Leben zum Tod sind.

    Dunkle Seite des Karsamstags

    Diese Wahrheit begegnet uns auch und sogar an Ostern, dem Fest der Auferstehung Jesu Christi aus dem Tod. Das Osterevangelium (Joh 20, 1–18) beginnt mit dem Bericht, dass „frühmorgens, als es noch dunkel war“, Maria von Magdala zum Grab Jesu kam. Sie sah zwar, dass der Stein vom Grab weggenommen war, und sie begegnete sogar zwei Engeln in weißen Gewändern, die sie danach fragten, warum sie denn weine. Ihre Antwort war ebenso einfach wie traurig: „Man hat meinen Herrn weggenommen, und ich weiss nicht, wohin man ihn gelegt hat.“ Die Frau steht zwar im Mittelpunkt des Osterevangeliums; sie selbst jedoch hat die Schwelle zu Ostern noch nicht überschritten; sie lebt vielmehr noch am Karsamstag und sucht Jesus, ihren Herrn, bei den Toten.

    Steht diese Frau nicht stellvertretend für uns Menschen und selbst Christen in der heutigen Welt? Wir dürfen im Glauben im Licht von Ostern leben; doch auch in diesem österlichen Licht ist in unserem Leben der Karsamstag immer wieder gegenwärtig und wirksam. Der Karsamstag ist überhaupt der Tag, der dem Wesen des menschlichen Lebens gemäß ist, das noch auf Ostern wartet, aber ihm doch vertrauensvoll entgegen geht.

    The Road to Calvary

    Michael Torevell, The Road to Calvary, Mischtechnik, digital, 2014. Bild aus Privatsammlung. Verwendet mit genehmigung.

    So entspricht es nicht nur der menschlichen Erfahrung; so sieht es auch der christliche Glaube. Der Karsamstag ist der Tag der Grabesruhe Jesu und damit der Tag der Verborgenheit und des Schweigens Gottes in der Geschichte. Er ist jener Tag, der auch in der Geschichte der Menschen immer wieder blutige Realität wird – wie im vergangenen Jahrhundert mit den zwei grausamen Weltkriegen und Abertausenden von Getöteten. Auch die heutige Welt, in der Kriege wieder zum alltäglichen Leben zu gehören scheinen, droht erneut zu einem großen Karsamstag zu werden.

    Auch nach Ostern bleibt der Karsamstag der Tag der Verborgenheit Gottes, den wir immer wieder erfahren müssen, vor allem in der heutigen Welt, in der Gott so oft zum Schweigen gebracht wird. Der Karsamstag ist das Zeichen der Unerlöstheit von uns Menschen, die auch nach Ostern weiterdauert. Darin besteht die dunkle Seite des Karsamstags, wie sie auch Maria von Magdala erfahren hat.

    Helle Seite des Karsamstags

    Der Karsamstag hat aber auch eine hoffnungsvolle und frohe Seite. Diese bringen wir im Apostolischen Credo zum Ausdruck, wenn wir unseren Glauben bekennen, dass Jesus gestorben und begraben worden und in das Reich des Todes hinabgestiegen ist. Um dieses Glaubensgeheimnis verstehen zu können, liegt es nahe, von der Frage auszugehen, was sich denn in diesem Totenreich ereignet hat. Unsere menschliche Erfahrung sagt uns, dass das Reich des Todes der Ort der völligen Verlassenheit und der totalen Einsamkeit ist, da in ihm jede menschliche Beziehung gestorben und deshalb selbst die Liebe tot ist. Der Karsamstag spricht uns aber die Verheißung zu, dass Jesus in seinem Tod in dieses Reich gegangen ist, um die Gegenwart Gottes und seine Liebe in dieses Reich zu bringen.

    Jesus ist an den Ort der größten Einsamkeit und der totalen Beziehungslosigkeit gegangen, und er hat an diesem Ort mit der wärmenden Liebe Gottes in die Totenstarre Bewegung gebracht und das Reich des Todes in einen Ort des neuen Lebens umgewandelt, wie Papst Benedikt XVI. dieses Glaubensgeheimnis tief gedeutet hat: „Im Reich des Todes ist die Stimme Gottes erklungen. Das Undenkbare ist geschehen: Die Liebe ist vorgedrungen in das <Reich des Todes>.“ Die helle Seite des Karsamstags besteht darin, dass, seitdem Jesus Christus an den Ort des Todes die Liebe Gottes gebracht hat, mitten im Karsamstag Ostern angebrochen ist.

    An Ostern wird das Glaubensgeheimnis des tröstlichen Wechsels mit der Wahrheit unseres menschlichen Lebens sichtbar. Denn die Ver-heißung des österlichen Glaubens hat das Recht und den Mut, die unbestreitbar harte Wahrheit des alten Chorals, dass wir mitten im Leben mit dem Tod umfangen sind, umzukehren und gleichsam auf den Kopf zu stellen, indem er uns die viel größere Verheißung zuspricht, dass wir mitten im Tod mit dem Leben umfangen sind, mit dem befreienden und ewigen Leben Gottes. Dank Ostern befinden wir Menschen uns nicht nur auf dem irdischen Weg vom Leben zum Tod, sondern auch und vor allem auf dem Glaubensweg vom Tod zum Leben.

    Österlicher Ernstfall des Gottesglaubens

    Durch sein Sterben hat Christus den Tod vernichtet und das Leben neu geschaffen. Mit diesem österlichen Geschehen steht oder fällt der christliche Glaube. Diese Glaubensüberzeugung hat Paulus mit aller nur wünschbaren Deutlichkeit den Christen in Korinth, die ihre eigene Auferstehung offensichtlich nicht annehmen wollten, geschrieben: „Wenn Tote nicht auferweckt werden, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos und ihr seid immer noch in euren Sünden“ (1 Kor 15, 16–17). Um einen radikalen Ernstfall des christlichen Gottesglaubens und seiner stets notwendigen Erneuerung handelt es sich bei der Auferstehung Jesu Christi folglich vor allem in einer zweifachen Hinsicht.

    Ostern macht radikal Ernst mit dem Glauben an Gott. Was wäre dies denn für ein Gott, der Jesus, seinen geliebten Sohn, der die grenzenlose Liebe seines Vaters zum Leben der Menschen verkündet hat, im Tod gelassen hätte? Und was wäre dies für ein Gott, der den Glaubenden, die seinem Sohn nachgefolgt sind und seiner Verheißung des Lebens in Fülle vertraut haben, nur zeit ihres relativ kurzen Lebens auf der Erde die Treue halten, aber vor ihrem Sarg gleichsam kapitulieren würde? Dies wäre ein erbärmlicher Götze, nicht aber der Gott des Erbarmens, den der christliche Glaube verkündet und den Jesus den Sadduzäern, die die Auferstehung geleugnet haben, mit der schönen Botschaft nahe zu bringen versucht hat: „Dass aber die Toten auferstehen, hat schon Mose in der Geschichte vom Dornbusch angedeutet, in der er den Herrn den Gott Abrahams, den Gott Isaaks und den Gott Jakobs nennt. Er ist doch kein Gott von Toten, sondern von Lebenden; denn für ihn sind alle lebendig“ (Lk 20, 37–38).

    Who Will Roll Away the Stone for Us

    Michael Torevell, Who Will Roll Away the Stone for Us, Mischtechnik, digital, 2018. Bild aus Privatsammlung. Verwendet mit genehmigung.

    Der Osterglaube stellt von daher auch einen radikalen Ernstfall für die Tragfähigkeit der Hoffnung im menschlichen Leben dar. Was wäre dies denn für eine Hoffnung, die allein für unser jetziges irdisches Leben tragen würde und deren alleinige Kraft letztlich darin bestünde, uns dem Tod-sicheren Ende unseres Lebens im Grabe näher zu bringen? Dann wären wir, wie Paulus betont, „erbärmlicher daran als alle anderen Menschen“ (1 Kor 15, 19). Die christliche Hoffnung hat aber den viel längeren Atem. Sie bewahrheitet und bewährt sich auch und erst recht über den Tod hinaus. Denn die unendliche Liebe Gottes will für jeden Menschen Ewigkeit, und zwar aufgrund der Auferstehung Jesu Christi aus dem Tod in das neue Leben Gottes hinein.

    Neues Leben aus der österlichen Taufe

    An diesem neuen Leben Gottes haben wir Anteil erhalten in der Taufe, die ihren ursprünglichen und spezifischen Ort in der Osternacht hat. Wie wir Christen in dieser Nacht den Übergang vom Tod Jesu Christi in das Leben seiner Auferstehung feiern, so ist die Taufe unsere Teilhabe an diesem Übergang vom Tod zum neuen Leben in Christus. Paulus deutet das liturgische Untertauchen des Täuflings als Untertauchen in die abgründigen Wasser des Todes, und zwar in solidarischer Gemeinschaft mit Christus, der selbst zuvor in dieses dunkle Wasser getaucht worden ist. Und die österliche Erfrischung durch das Bad der Taufe betrachtet Paulus als Auferstehung zu einem neuen und unvergänglichen Leben, und zwar wiederum in solidarischer Gemeinschaft mit Christus: „Wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben“ (Röm 5, 4b). 

    Das neue Leben der Taufe verbindet uns mit allen Christen, die in verschiedenen christlichen Gemeinschaften leben. Denn die Taufe und ihre gegenseitige Anerkennung ist das Fundament christlicher Ökumene, die der Wiederherstellung der Einheit der Christen verpflichtet ist. Die österliche Taufe erinnert uns von daher daran, dass wir Christen nur glaubwürdig die Auferstehung Jesu Christi verkünden können, wenn wir zugleich auch die Konsequenzen seiner Auferstehung und des neuen Lebens für die kirchliche Gemeinschaft bedenken. Die erste Folge der Auferstehung Jesu Christi wird sichtbar in der Apostelgeschichte und ist die kirchliche Gemeinschaft selbst, von der es heißt: „Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam“ (Apg 4, 32).

    Das neue Leben von Ostern will auch wirksam werden in der Erneuerung des kirchlichen und ökumenischen Lebens. Dieses aber setzt voraus, dass die Einheit unter uns Christen zuerst Einheit aller mit Jesus Christus ist, und solche Einheit wird dort möglich, wo keiner auf „sein Eigentum“ pocht, da es „allen gemeinsam“ ist. Nur wenn wir gemeinsam zu Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen umkehren, werden wir auch zu einer tieferen Gemeinschaft untereinander finden. Darin besteht die Erneuerung des christlichen Lebens, die uns im Glauben an die Auferstehung Jesu Christi geschenkt wird.

    Von Cardinal Kurt Koch Kardinal Kurt Koch

    Als Präfekt des vatikanischen Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen ist Kardinal Kurt Koch seit 2010 für die Pflege der Beziehungen zwischen der römisch-katholischen Kirche und anderen christlichen Konfessionen zuständig.

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