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CheckoutWirtschaft à la Robin Hood
Wie sollte der Reichtum der Welt verteilt werden?
von Edmund Waldstein
Dienstag, 8. Oktober 2019
Als die Männer des Sheriffs von Nottingham eines Tages in den Tiefen des Sherwood Forest auf Robin Hood stießen, kniete er vor einem Altar und nahm an einer Messe teil. Erst als das heilige Geschehen vorüber war, wandte Robin sich um, und kämpfte gegen sie. In den alten Balladen wird Robin durchweg als frommer und treuer Katholik beschrieben, gewissenhaft keusch, dem nachgesagt wurde, dass er jeden Tag noch vor dem Frühstück an drei Messen teilnahm. Robins Rotte fröhlicher Gesellen folgte laut den Beschreibungen tatsächlich einer mönchsartigen Ordnung. Sie hatten eine gemeinsame Kasse, und nach dem Theaterstück aus dem 16. Jahrhundert The Downfall of Robert, Earle of Huntingdon, das wiederum auf älteren Balladen basiert, leisteten sie sogar einen Eid der Keuschheit: „Zum dritten soll kein Mann im Gefolge Robin Hoods / sich mit einer Witwe, Frau oder Magd vereinen in Sherewood / Doch durch wahre Arbeit lüsterne Gedanken verbannen.“
Nichtsdestotrotz war es Robin eine große Freude, die Äbte und Prioren der reichen, feudalen Klöster Englands auszurauben: „Aus dem Beutel vermögender Äbte und des Kramers Ladenfülle / nahm er und teilte es mit den Armen.“ Diese Klöster praktizierten eine gewisse Form der Armut – sie teilten alles miteinander und jeder Mönch erhielt aus dem gemeinsamen Besitz nur das, was er brauchte –, doch als Gemeinschaft waren sie wohlhabende Landbesitzer und ihre Äbte und Prioren waren einflussreiche Lords.
Die Klöster gaben viel an die Armen weiter und sorgten so für ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. (Die Auflösung der Klöster durch Heinrich den Achten führte folglich zu einer schweren sozialen Krise.) Doch für Robin Hood waren sie auf der Seite der Reichen, die sich einen unfairen Anteil der Feldfrüchte einverleibten, die die Bauern hart erarbeitet hatten. Die einzig religiösen Menschen, die Robin scheinbar mochte, waren Bettelmönche wie Bruder Tuck, die die Verfechter einer neuen Art religiös motivierter Armut waren, bei der es kein gemeinsames Vermögen gab.
Als Zisterziensermönch stelle ich fest, dass Robins Verachtung für die Klöster seiner Zeit mich vor Fragen zu der Beziehung meiner Klostergemeinschaft, einschließlich seiner Güterteilung, zu der größeren wirtschaftlichen Ordnung stellt.
Die Welt, wie sie in den Balladen des 15. Jahrhunderts über Robin Hood beschrieben wurde, als das Feudalwesen nach der Zeit der Großen Pest im Niedergang war, unterscheidet sich deutlich von unserer heutigen Welt der globalen Marktwirtschaft. Und doch kann uns Robin Hood in mancherlei Hinsicht dazu anregen, über unsere eigene Situation nachzudenken.
Die unausgesprochene Grundlage für Robin Hoods Vorgehen, von den Reichen zu stehlen, um den Armen zu geben, ist die ewig gültige christliche Lehre, dass die Güter der Erde durch Gott gegeben wurden, um alle Menschen zu ernähren. Dies ist das Prinzip, das die moderne katholische Soziallehre „allgemeine Bestimmung der Güter“ nennt, und es stellt eine dringliche Herausforderung an uns in unserer heutigen Zeit dar.
Als Zisterziensermönch stelle ich fest, dass Robins Verachtung für die Klöster seiner Zeit mich vor Fragen zu der Beziehung meiner Klostergemeinschaft, einschließlich seiner Güterteilung, zu der größeren wirtschaftlichen Ordnung stellt. Es ist eine Frage, die sich jede Gemeinschaft von Gläubigen stellen muss, wenn sie versucht, wie die Urgemeinde in Apostelgeschichte 2,44–45 zu leben: Wie können wir an der wirtschaftlichen Ordnung unserer Umgebung teilhaben, ohne uns an den Ungerechtigkeiten dieses Systems zu beteiligen?
Jesu Anordnungen, freigiebig zu sein und dabei keine Gegenleistung zu erwarten, erfüllen und vervollständigen die Lehren des Alten Testaments. Gott gab die Erde der ganzen Menschheit. Den Armen zu geben ist daher ein Akt der Gerechtigkeit – indem man ihnen gibt, was ihnen als Menschen zusteht, denen Gott die Erde gegeben hat.
Nach der konstantinischen Wende, als ein größerer Teil der Gesellschaft zu Christen wurde und es keine gegenkulturelle Entscheidung mehr darstellte, gläubig zu sein, waren die Kirchenväter sehr darum besorgt, wohlhabende Christen zurechtzuweisen, die dieses Prinzip aus den Augen verloren hatten und ihren Reichtum von den Armen zurückhielten. Im Osten schenkte Basilius der Große diesem Thema besondere Beachtung, genauso wie Ambrosius von Mailand im Westen. So wendet sich Basilius an den reichen Mann in Lukas 12,18–19, der sagt: „So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen. Dann werde ich zu meiner Seele sagen: Seele, nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freue dich!” Auf diese Aussage antwortet Basilius: „Sage mir, welche Dinge gehören dir? Woher hast du sie genommen? Hast du sie ins Leben gerufen?“ Der Weizen, der gewachsen ist, gehört nicht wirklich dem reichen Mann; er ist für die, die ihn brauchen. In gleicher Weise hielt Ambrosius eine Predigt über die Geschichte, in der König Ahab ein Auge auf Nabots Weinberg geworfen hatte. Darin wandte Ambrosius sich direkt an die reichen Bürger von Mailand und stellte ihnen bohrende Fragen: „Wie weit, o Reicher, gehst du in deiner wilden Gier? … Warum verwirfst du den Gefährten, den die Natur dir gegeben hat, und erhebst für dich selbst Anspruch auf den Besitz der Natur? Die Erde wurde gleichermaßen für alle gegründet, die Reichen und die Armen. Warum verlangst du, o Reicher, allein nach besonderer Behandlung?“ Ambrosius‘ Denken nach ist es ungerecht, dass die Reichen die Früchte der Erde für sich allein beanspruchen, wenn diese Fülle der Menschheit als Ganzes gegeben wurde.
Angesichts dieser Lehren der Schrift und der Kirchenväter, haben die scholastischen Theologen die Frage gestellt, ob der Besitz von Privateigentum in irgendeiner Hinsicht gerechtfertigt werden kann.
Thomas von Aquin folgerte, dass zwar der Genuss oder der Gebrauch von Gütern immer gemeinschaftlich erfolgen müsste – insofern als jede Person nur das bekommt oder gebraucht, was sie benötigt –, das System zur Gütererzeugung jedoch privat sein kann, und zwar insofern als jede Person über das verfügen kann, was sie produziert. Tatsächlich führt er Gründe an, warum es für eine friedliche und gerechte Gesellschaft förderlich ist, wenn es Privateigentum in diesem eingeschränkten Sinne gibt. Er glaubt, dass Menschen dazu neigen, härter zu arbeiten, wenn sie für das, was sie herstellen, die Verantwortung tragen. Dabei führt er das Beispiel eines Haushalts an, in dem es zu viele Diener gibt; in diesem Fall würden einige sich nicht daran beteiligen, für das gemeinsame Wohl zu arbeiten, da sie sich darauf verlassen könnten, dass andere für sie arbeiteten: „Jeder Mensch ist mehr darauf bedacht, das zu beschaffen, was für ihn allein ist, als für das, was für viele oder alle ist; so wird jeder die Arbeit für die Gemeinschaft scheuen und einem anderen überlassen, wie es geschieht, wenn es eine große Zahl von Dienern gibt.“ Die Erfahrungen der sozialistischen Regime des 20. Jahrhunderts bestätigen die Einsichten des Thomas von Aquin in diesem Punkt.
Er erörtert weiter, dass Dinge geordneter verliefen, wenn es Privatbesitz gäbe, während aus Kommunismus Verwirrung folgen würde. Der Gedanke dahinter scheint zu sein, dass Bedarf unmittelbarer wahrgenommen und befriedigt wird, wenn jede Person die Verantwortung für das hat, was sie herstellt.
Dennoch hält Thomas von Aquin daran fest, dass der Gebrauch von Gütern gemeinschaftlich bleiben muss. Damit meint er, dass jede Person in gerechter Weise nur das behalten kann, was sie zum Leben braucht, und auf angemessene Weise ihre Rolle in der Gesellschaft ausfüllt. Eine Person, die eine repräsentative Rolle in der Gesellschaft spielt (beispielsweise der Herrscher) benötigt eine gewisse Pracht, um diese Rolle ausüben zu können, aber auch hier gibt es eine Grenze. Und jede Person ist verpflichtet, alle ihre entbehrlichen Güter den Armen zu geben. Dies ist das Prinzip, dass heute in der katholischen Theologie als allgemeine Bestimmung der Güter bekannt ist.
Gemäß dem Prinzip der allgemeinen Bestimmung der Güter gehören alle entbehrlichen Güter dem Recht nach den Armen.
Eine Konsequenz dieses Prinzips ist, wenn jemand sich in drängender Not befindet, darf er jemandem Güter nehmen, der mehr als genug hat, ohne dabei die Sünde des Diebstahls zu begehen. Dies ist die Rechtfertigung des „Robin-Hood-Prinzips“, bei dem man von den Reichen „stiehlt“, um den Armen zu geben. Es ist kein echtes Stehlen, wenn die Armen sich in wirklicher Not befinden, und die Reichen in wirklichem Überfluss leben. Im Rheinland wurde diese Art von „Stehlen“ fringsen genannt, nach Kardinal Frings, dem Erzbischof von Köln, der nach dem Zweiten Weltkrieg seine Herde anwies, Kohle von den Kohlenzügen zu „stehlen“, wenn sie zu erfrieren drohten.
Die moderne katholische Soziallehre, beginnend mit Papst Leo XIII. im 19. Jahrhundert, entwickelte das Prinzip der allgemeinen Bestimmung der Güter und wandte es auf die Probleme der modernen Wirtschaftssysteme an. Demzufolge glaubte Papst Pius XI., dass die Regierung die Pflicht hat, das Privateigentum zu regulieren, um eine ungerechte Verteilung zu beheben. „Wenn der Staat Privatbesitz in Einklang mit den Bedürfnissen zum Wohl der Allgemeinheit bringt“, so schrieb er 1931, „begeht er keine feindliche Handlung gegenüber Privatbesitzern, sondern erweist ihnen vielmehr einen Dienst; auf diesem Wege verhindert er wirksam, dass der private Besitz von Gütern, die der Schöpfer der Natur in seiner weisen Vorhersehung dem Erhalt des menschlichen Lebens zugedacht hat, untragbar Böses bewirkt.“ Im Jahr 1952 lehrte Papst Pius XII., dass das Prinzip der allgemeinen Bestimmung der Güter von reichen Ländern fordere, bedürftige Migranten aus armen Ländern aufzunehmen.
Die Formulierung „allgemeine Bestimmung der Güter“ wurde vom Zweiten Vatikanischen Konzil geprägt: „Wie immer das Eigentum und seine nähere Ausgestaltung entsprechend den verschiedenartigen und wandelbaren Umständen in die rechtlichen Institutionen der Völker eingebaut sein mag, immer gilt es, achtzuhaben auf diese allgemeine Bestimmung der Güter.“ Das Konzil deutete damit an, dass man im Rahmen einer globalen Wirtschaft manchmal von traditionellen Wegen abweichen müsse, um dieses Prinzip in die Tat umzusetzen. Papst Paul VI. führte diese Einsicht in der Enzyklika Populorum Progressio aus, in der er hervorhob, dass die Verbindungen, die zwischen Menschen in verschiedenen Erdteilen entstanden sind, denen Verantwortung auferlegen, die in reichen Ländern leben. Wir können nicht damit zufrieden sein, im Überfluss zu leben, wenn in ärmeren Teilen der Welt Kinder verhungern.
Auch wenn die Katholische Kirche an Thomas von Aquins Position festhält, dass eine bestimmte Art von Privatbesitz gerecht sein kann, beharrte sie dennoch immer darauf, dass es noch erstrebenswerter sei, als Christ in einer Gemeinschaft zu leben, in der nicht nur der gemeinsame Gebrauch, sondern auch die gemeinsame Herstellung von Gütern erfolgt. Für gewöhnlich dachte man, dass eine vollständige Güterteilung für eine Gesellschaft als Ganzes zwar nicht förderlich wäre, es innerhalb von Klostergemeinschaften aber anders aussieht. Als Mönche haben wir uns dem geweiht, unser Leben als ein Bild für das kommende himmlische Jerusalem zu führen. Wir heiraten und vermählen uns nicht; wir ordnen uns im Gehorsam einer Leitung und einem Abt unter; wir teilen alles miteinander.
Seit den Anfängen der Mönchsbewegung im dritten Jahrhundert in Ägypten wurde angenommen, dass die Güterteilung in enger Verbindung zu Zölibat und Gehorsam steht. Ohne die Freiheit von weltlichen Sorgen, die dem Zölibat entspringt (vgl. 1. Korinther 7,33), und der Disziplin des Gehorsams, wäre die Güterteilung nicht vorteilhaft. Und ohne Güterteilung und Achtsamkeit gegen die Anhäufung überflüssigen Reichtums, würden Zölibat und Gehorsam lax werden. Eines der Dinge, die ich an Gemeinschaften wie dem Bruderhof faszinierend finde, ist, dass sie offenbar ein Gegenbeispiel zu dieser uralten Weisheit bilden, und zwar insofern, als sie Gehorsam und Güterteilung ohne das Zölibat leben.
Mein eigenes Kloster, das Stift Heiligenkreuz in Österreich, lebt gemäß der Ordnung des Benedikt von Nursia. Benedikt war sehr klar in seinen Aussagen. „Vor allem“, so schreibt er,
muss dieses Übel privaten Eigentums an der Wurzel aus dem Kloster abgetrennt werden. Lasst niemanden fortfahren, etwas ohne die Anweisung des Abts zu geben oder anzunehmen, oder etwas sein Eigentum zu nennen. Nichts sei sein eigen: weder Buch, noch Schreibtafel, noch Schreibgerät; gar nichts, da er noch nicht einmal die Macht über seinen eigenen Körper und Willen haben darf. Doch lasst jeden auf den Abt des Klosters schauen, und empfangen, wessen er bedarf. Ebenso darf niemand etwas behalten, das der Abt nicht zuvor gegeben oder gewährt hat. Lasst alle Dinge allen gemein sein, wie geschrieben steht: ‚Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam‘ (Apostelgeschichte 4,32).
Benedikt wollte, dass seine Mönche von der Arbeit ihrer eigenen Hände leben, und großzügig darin sind, die Güter, die sie erzeugen, mit den Armen und Reisenden zu teilen. Er erkennt an, dass Mönche manchmal ihre Erzeugnisse verkaufen müssen, um Dinge zu kaufen, die sie nicht selbst herstellen können. Doch er befiehlt ihnen, sie zu ihrem wahren Wert zu verkaufen, sodass das Ziel der Transaktion einen Tausch und nicht Profit darstellt: „Und was die Preise betrifft, lasst nicht das Übel der Gier herein, sondern lasst die Dinge immer etwas günstiger verkauft werden als durch weltliche Personen, sodass in allen Dingen Gott die Ehre erhält.“
Benedikts Form des klösterlichen Lebens erwies sich, vielleicht unerwartet, als das, was wir heute einen wirtschaftlichen Erfolg nennen würden. Die effiziente Arbeitsteilung, die sich in einer Gemeinschaft realisieren ließ, die ein Versprechen zum Gehorsam geleistet hatte, bedeutete, dass Klöster herausragend in der Güterproduktion waren. Das Prinzip, immer etwas günstigere Preise als nichtklösterliche Produzenten zu haben, erwies sich als sehr wirkungsvoll, um Käufer anzuziehen.
Doch es gab auch eine latente Gefahr dabei. Viele Klöster wurden sehr reich und ihre großen Vorräte hatten einen schlechten Einfluss auf die klösterliche Disziplin. Dieses Problem verstärkte sich im Mittelalter, als die Klöster mehr und mehr in das Feudalsystem integriert wurden. Oft wurde Klöstern die Verwaltung über feudale Ländereien übertragen und auch die Herrschaft über die Leibeigenen, die diese Ländereien bearbeiteten. Im 11. Jahrhundert verbrachten die Mönche im großen französischen Kloster Cluny fast den ganzen Tag im Gebet. Sie lebten nicht mehr von der Arbeit ihrer eigenen Hände, wie es die Anordnung der Regel vorsah, weil sie Leibeigene hatten, die für sie arbeiteten. Es ist nicht überraschend, dass die Leibeigenen sich manchmal gegen ihre klösterlichen Herren auflehnten, und dachten, dass sie einen ungerechten Anteil an dem Ertrag ihrer Arbeit nahmen.
Ich muss zugeben, dass Robin Hood mich wahrscheinlich kritisieren würde.
Mein eigener Orden, der Zisterzienserorden, wurde teilweise als Antwort auf dieses Problem hin gegründet. Die Zisterzienser wollten zurück zu einer buchstäblichen Befolgung der Regel und von ihrer eigenen körperlichen Arbeit leben. Dennoch wurde auch im Zisterzienserorden bald der größere Teil der körperlichen Arbeit von ungelehrten „Laienbrüdern“ erledigt, also Bauern, die sich dem Kloster angeschlossen hatten, während die gebildeten „Chorbrüder“, die aus dem Adel stammten, sich mehr der intellektuellen Arbeit widmeten – dem Abschreiben von Manuskripten, der Lehre, dem Schreiben theologischer Abhandlungen – und häufigeren Stundengebeten. Wurden ihnen darüber hinaus Ländereien gegeben, um ein Kloster zu gründen, siedelten die Leute, die ihnen das Land gaben, oft die Leibeigenen um, die dort zuvor gewohnt hatten. Meine Abtei wurde 1133 gegründet, als der heilige Leopold III., Markgraf von Österreich, einen Teil seines Feudalbesitzes für unsere Gründung spendete. In den Wäldern hinter unserem Stift kann man immer noch einige Steinmauern sehen, die einst zu einem Dorf gehörten, dessen Bewohner umgesiedelt wurden, als das Kloster gegründet wurde. Ich frage mich oft, was die Leibeigenen, die dort lebten, dachten, als sie ihr Zuhause verlassen mussten. Später herrschten auch die Zisterzienser über die Bauern, die auf ihren Ländereien lebten.
Heute hat mein Stift noch immer viele Besitztümer, die uns im Mittelalter gegeben wurden, und wir leben im Grunde von dem Holz, dem Weizen und dem Wein, die dort wachsen. Ein paar Mönche bearbeiten immer noch das Land, aber aufgrund verschiedener Notwendigkeiten, die sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt haben, „arbeiten“ die meisten Mönche nun als Pfarrer in den nahegelegenen Pfarrgemeinden, oder als Lehrer an unserer Hochschule (so wie ich). Doch dies bedeutet, dass die meiste Arbeit in unseren Wäldern, auf unseren Feldern und in unseren Weinbergen heute von Lohnarbeitern geleistet wird. Unsere Arbeiter und Angestellte zitieren gern ein altes Sprichwort, das lautet: „Unterm Krummstab ist gut leben.“ Damit ist gemeint, dass die kirchlichen Herren (symbolisiert durch einen Hirtenstab) nachsichtiger sind als die weltlichen. Natürlich versuchen wir, im Umgang mit unseren Angestellten der katholischen Soziallehre zu folgen; wir zahlen ihnen einen Lohn, von dem sie leben können, usw.
Doch manchmal führt dies zu schwierigen Situationen. Beispielsweise hatten wir früher ein Sägewerk, in der das Holz aus unseren Wäldern weiterverarbeitet wurde. Wenn es uns möglich gewesen wäre, das Sägewerk nur mithilfe der Arbeit von Mönchen zu betreiben, wäre es profitabel gewesen, aber da wir Lohnarbeiter einstellen und ihnen einen angemessenen Lohn bezahlen mussten, war es nicht in der Lage, mit den großen Sägewerken der Konkurrenz mitzuhalten. Nachdem wir etliche Jahre durch dieses Sägewerk Verluste gemacht hatten, entschlossen wir uns, es zu schließen. Es war eine schwierige Entscheidung, und diese Schwierigkeit entsprang der fast unausweichlichen Notwendigkeit, mit dem kapitalistischen System in unserem Umfeld zu interagieren. Dieses System hat seine eigene Dynamik, der man kaum entrinnen kann.
Gemäß dem Prinzip der allgemeinen Bestimmung der Güter gehören alle entbehrlichen Güter dem Recht nach den Armen. Doch die Schwierigkeit besteht darin, zu bestimmen, was wirklich entbehrlich ist. Das menschliche Herz ist verschlagen und sehr begabt darin, sich selbst zu täuschen. Es ist für Gemeinschaften vielleicht einfacher als für Individuen, objektiv darüber zu urteilen. Doch selbst in Gemeinschaften kann man das finden, was Eberhard Arnold, der Mitbegründer des Bruderhofs, „kollektiven Egoismus“ nannte.
Meine eigene Erfahrung der gelebten Gütergemeinschaft im Kloster war befreiend. Da ich alles, was ich brauche, durch das Kloster erhalte, bin ich frei, mich dem Gebet, der theologischen Lehre und meinen anderen Pflichten zu widmen. Doch ich muss zugeben, dass Robin Hood mich wahrscheinlich kritisieren würde. Auch wenn mein Stift versucht, so viel wie möglich von unserem Einkommen wegzugeben, führen wir Mönche dennoch ein recht angenehmes Leben mit gutem Essen und geheizten Räumen. Benedikt listet die nötigen Dinge auf, die ein Mönch von seinem Abt erhalten soll: zwei Kutten, zwei Tuniken, Sandalen, Schuhe, ein Gürtel, ein Messer, ein Stift, eine Nadel, ein Taschentuch und eine Schreibtafel. Leider muss ich zugeben, dass ich neben Kutte und Tunika auch noch Mäntel, Jacken, Socken, eine Skiausrüstung usw. besitze. Aus der Schreibtafel ist heute ein Laptop geworden. Man gibt mir sogar ein monatliches Taschengeld, mit dem ich Bücher, Schokolade und anderen Luxus kaufen kann.
Doch natürlich sind wir – egal, ob Robin Hood mit uns einverstanden wäre oder nicht –, dankbar für die guten Dinge, die Gott gibt. Das vorrangige Ziel klösterlicher Armut besteht nicht darin, die Gaben zu verachten, die Gott der Menschheit gegeben hat, sondern Christus ähnlicher zu werden. Es gibt eine Zeit für Fasten und Buße, aber es gibt auch eine Zeit zu Feiern und sich der Gaben der Schöpfung zu erfreuen. „Denn Johannes ist gekommen, er isst nicht und trinkt nicht und sie sagen: Er hat einen Dämon. Der Menschensohn ist gekommen, er isst und trinkt und sie sagen: Siehe, ein Fresser und Säufer“ (Matthäus 11,18–19).
Diese Lektion mussten auch die ersten Zisterzienser lernen. In den Anfangsjahren von Bernhard von Clairvaux‘ Kloster waren die Mönche nicht bereit, etwas zu essen, das gut schmeckte. Doch als sie der Bischof von Châlons-sur-Marne, Wilhelm von Champeaux, besuchte, brachte er ihnen bei, ihr Essen mit Dank einzunehmen: „Wenn ihr so handelt, seid ihr sicher, denn durch Gottes Gnade ist es für euren Verzehr geeignet geworden. Wenn ihr andererseits immer noch ungehorsam und ungläubig bleibt, widersteht ihr dem Heiligen Geist und seid so undankbar für seine Gnade.“
In den alten Balladen ist Robin Hood berühmt für seine ausgiebigen Festmähler im Wald. So wären wohl er und der Bischof zumindest in diesem Punkt einer Meinung gewesen.