Subtotal: $
Checkout-
Dienst am Nächsten
-
Königin der Wissenschaften
-
Schule der fräsenden Philosophen
-
Forellen-Schule
-
Freiheit dem Wort
-
Re-christianisierung in einer entchristianisierten Welt?
-
„Hey Respekt, hört auf den Lehrer!“
-
Achtsamkeit dem Kinde
-
Spiel oder stirb
-
Sollte ich meinem Kind gruselige Märchen vorlesen?
-
Mathematik, die Schöne
-
Lernvergnügenstag
-
Die anonyme Theologin
-
Früchte eines Buches
-
Schreinern mit Teens
-
Eisen schärft Eisen
-
Leserreaktionen

Erziehung zur Freiheit
Hat unsere Gesellschaft verlernt, wie man erzieht?
von Peter Mommsen
Dienstag, 1. April 2025
Im jahr 1851 erwog Friedrich Fröbel, der Erfinder des Kindergartens, die Flucht aus seiner Heimat nach Amerika. Im August hatte die preußische Regierung das Netz von Kindergärten, das er elf Jahre zuvor gegründet hatte, als aufrührerisch verboten. Für eine Regierung, die sich vor liberal-demokratischen Ideen fürchtete, waren die neuen Einrichtungen Brutstätten von „Atheismus und Demagogie“, gefährliche Zellen von „Fröbels sozialistischem System“, die „zerstörerische Tendenzen auf dem Gebiet der Religion und der Politik“ förderten. Eine Absolventin von Fröbels kürzlich gegründeter Hochschule für die Ausbildung von Kindergärtnerinnen – die erste weltliche Berufsschule für Frauen in Deutschland – sah sich sogar gezwungen, auszuwandern, um dem Vorwurf der Staatsfeindlichkeit zu entgehen.
Fröbel war am Boden zerstört, als er von dem Verbot erfuhr mit dem sein Lebenswerk zu scheitern drohte. Er sollte ein Jahr später sterben. Sein Traum vom Kindergarten – einem „Garten“, in dem jedes Kind wie eine Pflanze wachsen sollte, auf natürliche Weise, unterstützt durch gute Pflege – war gerade im Entstehen begriffen. Er hatte Anhänger in ganz Deutschland gefunden. Fröbel appellierte eindringlich an König Friedrich Wilhelm IV.: „Ich flehe Sie im Namen der Kindheit an: Lassen Sie den Keim einer neuen Menschenbildung . . . nicht zertreten!“
Seine Proteste, dass er weder Sozialist noch Atheist sei, blieben unbeachtet; die Regierung betrachtete die Kindergärten offenbar als echte politische Bedrohung und zog das traditionelle System der religiösen Kinderbetreuung vor, bei dem Gehorsam gegenüber der Autorität und das Auswendiglernen von Schriften im Vordergrund standen. Das Kindergartenverbot wurde erst acht Jahre nach Fröbels Tod wieder aufgehoben.

Else Arnold, Keilhau in April, Acryl auf Papier. Grafik von Else Arnold. Verwendet mit Genehmigung.
Das Verbot funktionierte nicht, wie die Tatsache beweist, dass das Wort „Kindergarten“ heute in mehr als 40 Sprachen verwendet wird. Die Repressionen trugen sogar dazu bei, Fröbels Idee zu verbreiten. Erzieherinnen, die von seiner Vision inspiriert waren, verließen Deutschland und gründeten in ganz Europa und Nordamerika neue Kindergärten, die sich schließlich auch in Asien verbreiteten.
In gewisser Hinsicht hatte die preußische Regierung Recht: Fröbels Pädagogik war politisch bedrohlich, zumindest für autoritäre Regime. Das Ziel der Erziehung in der Familie und in der Schule, so betonte er, sei „Freiheit und Selbstbestimmung“. Deshalb hatte die deutsche Nationalversammlung in den berauschenden Revolutionstagen von 1848 beschlossen, dass die Fröbelschen Kindergärten „Teil der Erziehung eines jeden Kindes bilden“ sollten.
Diese Empfehlung hat zweifellos zu den Gegenreaktionen beigetragen. Reaktionäre wollten, dass Erzieher Unterwürfigkeit und Gehorsam einimpfen. Für Fröbel bestand die Aufgabe des Erziehers darin, den Willen des Einzelnen zur Ausübung der Freiheit zu schärfen. Intellektuelle und körperliche Ausbildung waren unerlässlich, aber im Dienst dieses höheren Ziels. Junge Menschen als Rohmaterial zu behandeln, das nach den eigenen ideologischen oder persönlichen Vorstellungen des Erziehers geformt werden sollte, empfand Fröbel als eine Art Sakrileg: „Wollen wir denn nie aufhören, unsere Kinder . . . gleich Münzen zu prägen und sie mit fremder Aufschrift und fremdem Bildnisse prangen zu sehen . . .?“
Er war nicht antiautoritär im Sinne von „autoritätsfrei“; er war kein früher Verfechter der „sanften Erziehung“. Erziehung, so betonte er, erfordert „Freiheit mit Anleitung“ durch Eltern oder Erzieher. Gerade weil er das individuelle menschliche Potenzial so hoch einschätzte, verlangte seine Methode harte Arbeit und Strenge. Diese Disziplin jedoch muss immer im Dienste der Förderung der Freiheit stehen, der „Darstellung des Göttlichen im Menschen“. Für Fröbel erforderte dieses Ziel ein lebenslanges Lernen, das in der Wiege beginnt und sich über die Schule und die höhere Bildung bis ins Erwachsenenleben fortsetzt.
Eine Stadt weiter, in der Nähe von Fröbels erstem Kindergarten, befindet sich im thüringischen Dorf Keilhau das Internat, das er 1821 nach denselben Grundsätzen gründete. Die Schule ist immer noch in Betrieb. Auf dem Schulgelände steht eine Bronzebüste des Pädagogen mit einem Zitat, das seine Mission auf den Punkt bringt: „Doch ich wollte nur selbst denkende, selbsttätige Menschen bilden.“
Die heutigen Reden über den Zweck der Bildung klingen eher wie das Prägen von Münzen. Die erklärte Mission des Bildungsministeriums der USA ist zum Beispiel, „die Leistungen der Schüler zu fördern und sie auf die globale Wettbewerbsfähigkeit vorzubereiten“. Das bedeutet, dass die Bildung der Menschen darauf hinausläuft, den akademischen Erfolg zu fördern, der durch standardisierte Tests beurteilt wird, und kompetente Arbeitskräfte zu sichern. Das Ergebnis davon ist eine Kategorisierung junger Menschen, mit jenen an der Spitze, die für gute Noten und künftigen hohen Verdienst gerüstet sind.
Das Leitbild von Harvard ist zwar auf das öffentliche Wohl ausgerichtet und verpflichtet sich, „die Bürger und führenden Persönlichkeiten unserer Gesellschaft“ durch „die transformative Kraft einer geistes- und naturwissenschaftlichen Ausbildung“ zu erziehen. Doch was die Natur oder das Ziel dieser Transformation sein könnte, bleibt unklar. Was ist das gute Leben, auf das die Menschen, einschließlich „führender Persönlichkeiten“, vorbereitet werden sollen? Ohne eine klare Vorstellung kann das Vakuum durch inhumane Ziele gefüllt werden – z. B. das Dominieren des Spiels um den höchsten Status, nur um in einer Welt der Verlierer zu den Gewinnern zu gehören. Der Erfinder des Kindergartens fordert uns auf zu fragen: Wozu sollen wir die Menschen erziehen?
Der junge Fröbel erholte sich, indem er allein im Garten hinter seinem Haus spielte. Beim Spielen entdeckte er die Natur:
Erinnerungen an meine Jugend: Mit unsäglicher Wonne Betrachtung der Tulpen. Innigste Freude an ihrer Regularität. Auffallendheit der sechs Blumenblätter, der dreischneidigen Samenkapsel. . . . Freude über die weibliche Blüte der Haselnuss; ihre herrlichen Farben; Freude über den Lindensamen. Alles Sorgende, Liebende daran erfüllte mich mit Achtung.
Durch das freie Spiel in der Natur fand er den Weg zur „Vereinigung des Lebens“, die er später als wesentlich für die Erziehung zur Freiheit bezeichnete. „Unser eigenes Leben ist ein zerstückeltes, zerbrochenes, ver- und abgewälztes, siech- und krankhaftes Etwas“, schrieb er. Die einzige Möglichkeit, als freier Mensch Ganzheit zu erlangen, besteht darin „zu uns selbst, zur Natur und zu Gott“ zurückzufinden.
Im Laufe des 20. Jahrhunderts verblasste Fröbels anfängliche Bekanntheit zusammen mit solch „romantischen“ Vorstellungen und wich rationalen Methoden, die für Massenerziehungssysteme besser taugten. Elemente seines Denkens flossen in die Theorien späterer Erzieher wie Maria Montessori, Peter Petersen und John Dewey ein. Diese Nachfolger versuchten jedoch im Allgemeinen, seine hochfliegende Vision von Freiheit durch einen pragmatischeren und empirischen Ansatz zu ersetzen. Fröbel kam aus der Mode. Im anglo-amerikanischen Raum wird sein Name heute noch als Indexeintrag in der Geschichte der Pädagogik geführt, allerdings eher als Einfluss auf Architekten und Designer wie Frank Lloyd Wright, Buckminster Fuller, Le Corbusier und die Bauhaus-Schule.

Das Schulhaus in Keilhau, erbaut von Fröbel. Bild von Keilhau in Wort und Bild, Leipzig, 1902. Public domain.
In den letzten Jahren bekam er zumindest in einer Hinsicht Recht: durch die Wiederentdeckung der zentralen Bedeutung des Spielens. Das freie Spiel, so Fröbel, ist die entscheidende Grundlage für freies Denken und freies Handeln.
In einem Artikel für das Journal of Pediatrics aus dem Jahr 2024 argumentiert Peter Gray (Interview auf Seite 37 dieser Ausgabe), Professor für Psychologie am Boston College, dass die alarmierende Zunahme von Angstgefühlen und Depression bei Kindern und Jugendlichen heute eng mit dem Verschwinden des freien Spiels zusammenhängt. Diesen Verlust, so seine Beobachtung, verursachte ironischerweise die gute Absicht moderner Eltern und Erzieher, Kinder durch ständige Aufsicht zu schützen und den erzieherischen Wert ihrer Zeit durch von Erwachsenen kontrollierte Aktivitäten wie akademisches Lernen oder Jugendsport zu maximieren. Doch dadurch wird den Kindern die Erfüllung eines natürlichen Bedürfnisses vorenthalten. Er argumentiert, dass sich der Mensch in der Evolution so entwickelte, dass er durch Spielen Fähigkeiten erlernt und Vertrauen und Unabhängigkeit erlangt, so wie es auch andere junge Säugetiere tun:
Eine der Hauptursachen für die Zunahme psychischer Störungen ist der jahrzehntelange Rückgang der Möglichkeiten für Kinder und Jugendliche, zu spielen, zu toben und anderen Aktivitäten nachzugehen, die nicht direkt von Erwachsenen beaufsichtigt und kontrolliert werden. Solche unabhängigen Aktivitäten können das psychische Wohlbefinden sowohl durch unmittelbare Wirkungen, als direkte Quelle der Zufriedenheit, als auch durch langfristige Wirkungen fördern, indem sie psychische Eigenschaften aufbauen, die eine Grundlage für den effektiven Umgang mit den Belastungen des Lebens bilden.
Auch für Fröbel ist das Spiel „die höchste Stufe der Kindesentwicklung“, „das reinste geistige Produkt des Menschen“ und „die Quelle alles Guten“. Das Spiel, so betonte er, ist der Schlüssel zu dem, was es bedeutet, ein freier Mensch zu sein, und muss daher der Grundstein für die Erziehung der Kinder sein.
„Die große pädagogische Entdeckung, die wir [Fröbel] verdanken“, bemerkte die Pionierin der Kinderpsychologie Martha Muchow einmal, „ist die Entdeckung des Kindes, des Kindes, wie es wirklich ist“. Wie Grays Forschungen andeuten, könnte die heutige Zunahme von psychischen Störungen bei Jugendlichen genau darauf zurückzuführen sein, dass man das Kind nicht so sieht, wie es wirklich ist“. Der alte Romantiker könnte also doch recht haben.
Ich bin der meinung, dass Fröbel Recht hatte und seine Erkenntnisse von wesentlicher Bedeutung sind für die Bewältigung der heutigen Herausforderungen – von Technologie bis zur Bildungspolarisierung. So wie seine Vision überlebt hat, um der Gegenwart gerecht zu werden, ist die von ihm gegründete Schule wiederbelebt worden. Dank einer familiären Verbindung habe ich einen Einblick in das Geschehen. Meine Großmutter, Annemarie Wächter, selbst Erzieherin, wurde in Fröbels Keilhau-Schule geboren, nur wenige Meter von der Statue des großen Mannes entfernt. Als Tochter des Direktors der Schule war sie auch Fröbels Großnichte – die Schule war in der Großfamilie geblieben und sollte bis zu ihrer Beschlagnahmung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1939 eine Hort des Freidenkertums bleiben (die Schüler benutzten beispielsweise nicht den Heil-Hitler-Gruß).
Ein Wohltätigkeitsverein restaurierte später die Schule, die heute als Freie Fröbelschule bekannt ist und etwa 400 Schüler von der ersten bis zur zehnten Schulstufe unterrichtet. Ihr Anspruch auf Exzellenz gründet sich nicht auf Selektivität, sondern auf die Verpflichtung, jedes Kind als Individuum zu erziehen, gemäß Fröbels Motto „Einheit in der Vielfalt“; etwa 70 der Schüler kommen aus sozialen Einrichtungen. Bei jedem Besuch bin ich erstaunt, wie seine Schule seine Vision von der Erziehung des Menschen zur Freiheit physisch veranschaulicht. Begeben wir uns auf einen kurzen historischen Rundgang.
Im Zentrum des kleinen Dorfes steht das Haus, das Fröbel 1817 zusammen mit den beiden Mitbegründern Wilhelm Middendorff und Heinrich Langethal bezog. Die drei waren vier Jahre zuvor enge Freunde geworden, als sie als Waffenbrüder in einer Freiwilligenmiliz, dem Lützowschen Freikorps, das viele Studenten mit demokratischen Idealen anzog, gegen die napoleonische Besatzung kämpften. Fröbel, der vor dem Krieg bei dem Schweizer Reformpädagogen Johann Heinrich Pestalozzi in die Lehre gegangen war, hatte seine Freunde mit seiner Leidenschaft für emanzipatorische Erziehung angesteckt.
Das Engagement für praktische Fertigkeiten und körperliche Arbeit war der Kern ihrer Methode. Traditionelle Gegenstände wurden fächerübergreifend und mit einer Mischung aus sokratischen Fragestellungen durch den Lehrer und schülergeführtem Unterricht gelehrt. Miriam Mathis, Herausgeberin der neuen Fröbel-Anthologie Where Children Grow von Plough, beschreibt das Programm wie folgt:
Fröbel war überzeugt, dass der Mensch von Natur aus kreativ ist und Kinder deshalb Möglichkeiten zum Experimentieren und Erfinden benötigen. Er verband den Unterricht am Morgen mit Nachmittagen voller praktischer Tätigkeiten, Sport, Basteln, Kunst und freiem Spiel. Die Abende verliefen entspannt, mit Geschichtenerzählen, Singen und Zeit für Hobbys.
Im Jahr 1817 jährte sich die Reformation zum 300sten Mal, und Fröbel wollte Martin Luther, den er als Apostel der Freiheit verehrte, ein „lebendiges Denkmal“ setzen. Er nahm zwei Nachkommen des Reformators auf. Georg und Ernst Luther waren Brüder im Teenageralter, die als ungebildete Tagelöhner in bitterer Armut lebten. Fröbels Methode erzielte erstaunliche Ergebnisse. Georg studierte später Theologie, und Ernst wurde ein erfolgreicher Steinmetz.
Der Werdegang der beiden Brüder veranschaulicht sehr schön, wie Fröbels Kombination aus akademischem und polytechnischem Lernen in der Praxis funktionierte. Anstatt Kinder in getrennte Bahnen zu lenken, ermutigte er alle Schüler, sich sowohl intellektuell herauszufordern als auch zu lernen, mit ihren Händen zu arbeiten.
Dabei nahm die Landwirtschaft einen wichtigen Platz ein. Zum Schulhaus gehörte ein Stück Ackerland. Mehr als 100 Jahre lang versorgte sich die Schule selbst, indem sie Gemüse anbaute, Vieh züchtete, Heu anpflanzte und Hunderte Hektar Wald bewirtschaftete. Dieses bemerkenswerte Projekt überlebte bis 1949, als übereifrige Kommunisten das Gutshaus des Hofes als feudalistisch ansahen und in die Luft sprengten.
Auch heute verfügt die Keilhau-Schule über einen Schul- und Obstgarten sowie eine Schmiede, entsprechend der Vision ihres Gründers. Für Fröbel war die Arbeit mit Erde und lebenden Pflanzen für eine menschliche Erziehung zentral. Das Wort Garten in Kindergarten sollte nicht nur eine Metapher sein.
Ein Zweck der Gartenarbeit bestand seiner Meinung nach darin, Arbeitsethik zu vermitteln. Wie beim Spiel war das fundamentale Ziel jedoch die „Lebenseinigung“. Durch die Auseinandersetzung mit den Gesetzen der Natur, deren Urheber der Schöpfer ist, verbindet der Anbau von Möhren oder Kartoffeln ein Kind auf greifbare Weise mit der geistigen Realität: „Von jedem Punkt der Natur geht ein Weg zu Gott.“
Fröbel war auch von der Notwendigkeit der körperlichen Betätigung überzeugt. Das Fehlen von Arbeits- und Bewegungsmöglichkeiten in Schulen, schrieb er, „führt die Kinder zur Körperträgheit und Werkfaulheit; unsägliche Menschenkraft bleibt dabei unentwickelt; unsägliche Menschenkraft geht verloren!“
Die Inspiration dafür erhielt er von einem Freund aus seiner Milizzeit, Friedrich Ludwig Jahn, der „Vater des Turnens“ und des modernen Sportvereins. Jahn hatte eine führende Rolle bei der Verbreitung der patriotischen Studentenverbindungen gespielt, die Rekruten für den Aufstand gegen die französische Besatzung lieferten. Der Leitspruch seiner sportlich christlichen Bewegung „frisch, fromm, fröhlich, frei“ folgte Fröbels pädagogischem Ziel der „Einigung des Lebens“.

Rhoda Fellermeier, Am Froebelblick, Acryl auf Papier, 2014.
Das Ethos der Schule gab Anlass zu Konflikten mit der etablierten Kirche. Als loyaler, aber unkonventioneller Lutheraner war Fröbels Erfahrung von Gott als Schöpfer fast mystisch: „In allem ruht, wirk und herrscht ein ewiges Gesetz . . . In allem ruht, wirkt, herrscht Göttliches. Gott.“
Diese glühende Liebe zur Natur setzte ihn dem Vorwurf des Pantheismus aus (den die preußische Regierung als „Atheismus“ bezeichnete, als sie die Kindergärten verbot). Nach der Gründung der Schule zog er den Zorn des Dorfpfarrers auf sich, da er seine eigenen Sonntagsgottesdienste abhielt, wann immer möglich im Freien, in der „Kathedrale des Waldes“. Er glaubte, dass lange Predigten in geschlossenen Räumen dem geistigen Leben seiner Schützlinge schaden würden.
Doch ein Blick in die Dorfkirche offenbart auch dort sein Vermächtnis. Vier große Tafeln mit den Namen der 96 Keilhau-Schüler und Ehemaligen, die im Ersten Weltkrieg gefallen sind. Darunter auch Annemaries älterer Bruder Otto, der sich 1915 im Alter von 17 Jahren zusammen mit seiner gesamten Klasse freiwillig meldete; die meisten von ihnen kehrten nicht mehr zurück. Fröbel schrieb, dass seine Erziehung darauf abzielte, Mut, Männlichkeit und Selbstaufopferung für eine höheres Gut zu trainieren. Ob die Kriegsziele des kaiserlichen Deutschlands dieses „höhere Gut“ waren, für das es sich zu sterben lohnte, ist umstritten. Diese Tafeln sind ein trauriges Zeugnis dafür, dass Fröbel mit der Vermittlung seiner Tugenden durchaus erfolgreich war.
Hinter dem altar der kirche hängt ein Gemälde eines ehemaligen Schülers Fröbels. Es zeigt die biblische Lieblingsszene des Pädagogen: Jesus umringt von einer Schar fröhlicher Kinder, die er segnet, während seine Jünger von hinten zusehen. Der Betrachter ist eingeladen, sich an die Worte Jesu zu erinnern: „Lasset die Kinder und wehret ihnen nicht, zu mir zu kommen; denn solchen gehört das Himmelreich“ (Mt 19,14).

„Das ist ein Tal der Erziehung!“ Der Blick auf Keilhau inspirierte Friedrich Fröbel 1817 hier eine Schule zu gründen. Grafiken von Keilhau in Wort und Bild, Leipzig, 1902. Public domain.
Diese Worte werden in einer entscheidenden Passage von Fröbels Hauptwerk Die Menschenerziehung zitiert, das 1826 zur Verteidigung der Keilhau-Schule geschrieben wurde. Das Buch ist eine dichte und oft schwer verständliche Sammlung pädagogischer, wissenschaftlicher und philosophischer Abhandlungen. Das Herzstück des Werks ist jedoch Jesus, als Eckpfeiler von Fröbels Idee von Freiheit und Bildung:Das höchste vollendetste Musterleben, welches wir als Christen in Jesu sehen . . ., ist dasjenige, welches den ursprünglichen und uranfänglichen Grund seines Seins, seines Erscheinens und Lebens klar und lebendig in sich erkannte . . . Dies höchste ewige Musterleben selbst fordert, dass jeder Mensch wieder . . . ein solches Muster für sich und für andere werde . . . Dies ist die Aufgabe und das Ziel aller Erziehung . . .
Jesus führt uns das „höchste, vollendetste Musterleben“ vor Augen. Als der Lehrer schlechthin ist er auch das Vorbild jedes Erziehers.
Fröbel hat diese Beobachtung zwar nicht weiter ausgeführt, aber seine wichtigsten Vorschläge können als Zusammenfassung der Erziehungsmethode Jesu gelesen werden. Lange vor Fröbel forderte Jesus eine von Heuchelei freie „Einheit des Lebens“, in der das äußere Leben das innere zum Ausdruck bringt und das innere das äußere. Er sah die Kindheit nicht als bloße Vorbereitung auf das Erwachsensein, sondern als Schlüssel zu dem, was es heißt, Mensch zu sein:
„Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen“ (Mt 18,3). Seine Liebe zur Natur – seine Gewohnheit, sich in die Wildnis zurückzuziehen, seine Ermahnungen, „die Vögel des Himmels und die Lilien des Feldes“ nachzuahmen, seine Gleichnisse, die aus der natürlichen Welt stammen – spiegeln seine Liebe zu seinem Vater, dem Schöpfer, wider. Fröbels Lehrmethoden erinnern an die von Jesus: Geschichten aus dem täglichen Leben und bohrende Fragen, um das Verständnis der Zuhörer zu wecken. Jesus lehrte nicht, indem er Wissen durch systematische Vorlesungen vermittelte, sondern indem er (wie Fröbel schrieb) „aktives Denken“ und „überlegtes Handeln“ forderte. „Wenn ihr das wisst – selig seid ihr, wenn ihr’s tut“ (Joh 13,17).
So hat Jesus zur Freiheit erzogen. „Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei“, so Jesus (Joh 8,36). Fröbel erinnert uns daran, dass das Beispiel Jesu uns zeigt, wie armselig eine Erziehung ist, die nur auf akademische Leistungen und globale Wettbewerbsfähigkeit abzielt. Der Mensch, ob jung oder alt, ist für mehr geschaffen.