Subtotal: $
CheckoutSiehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt. Joh. 1,29
Der Kern des Evangeliums
Dieses Zeugnis des Johannes ist der Kern und Stern des ganzen Evangeliums. Zwar schloss sich Jesu Mund bald im blutigen Tod, aber die Apostel verkündigten es weiter: „Siehe, das ist Gottes Lamm, welches die Sünde der Welt trägt.“ Auch die Apostel sind gestorben, aber dieses Evangelium durchtönt und heiligt alle Jahrhunderte.
Es war nicht eines Menschen, sondern aller Menschen, ja der ganzen Welt Sünde, Schuld und Todesstrafe, die das Lamm Gottes auf sich geladen hatte.
Wir tragen oft schwer an der Last unserer Arbeit, Sorgen und Leiden, aber wenn ein Mensch das ganze Gewicht seiner Sünde und Schuld fühlen und tragen müsste, so würde er darunter in ewige Nacht versinken. Schwer war der Kreuzesbalken, den der Herr auf seiner blutig gegeißelten Schulter nach Golgatha trug, aber schwerer war die unsichtbare Last, die auf diesem Holz des Fluches ruhte. Es war nicht eines Menschen, sondern aller Menschen, ja der ganzen Welt Sünde, Schuld und Todesstrafe, die das Lamm Gottes auf sich geladen hatte.
Siehe!
Dieses Lamm recht anzuschauen mahnt uns die Passionszeit, mahnt uns Johannes mit seinem Ausruf: „Siehe!“ Wie einst in der Wüste die Kinder Israels unter den Bissen der feurigen Schlangen Rettung suchend emporblickten zu der ehernen Schlange, so mögen auch wir immer glaubensvoller, immer tiefer und dankbarer den Gekreuzigten anschauen, welcher unsere Last getragen und unsere Schuld gesühnt hat. Aber dazu gehören neue, geheiligte Augen. Die müssen wir uns vom Herrn erflehen, wenn wir die Leidensgestalt unseres Erlösers recht erfassen und in unsere Herzen schließen wollen. Mit solchen Augen versenke dich, meine Seele, in das Anschauen Deines leidenden Heilands.
Aber dazu gehören neue, geheiligte Augen.
Siehe ihn dort in den nächtlichen Schatten des Garten Gethsemane im Todesringen auf seinem Angesichte liegen und blutigen Schweiß vergießen, siehe ihn dort im Gerichtshof schweigend die Geißelhiebe der grausamen Henker, die Verhöhnung und Dornenkrönung erdulden.
Stelle Dich unter das Kreuz von Golgatha, höre die letzten sieben Worte des Sterbenden, schaue auf das Haupt voll Blut und Wunden, diese Glieder voller Marter, diese Augen voller Tränen. Ach, schaue noch tiefer, schaue hinein in dieses Jesusherz, und siehe an seinem Gehorsam gegen den Vater, sein Erbarmen gegen dich. Siehe dieses Herz brechen und dieses Haupt im Tode sich neigen, bis auch dein Herz in Schmerz und Liebe bricht und deine Augen übergehen in Tränen heiligen Dankes.
Der ewige König
Alle, die ihn so anschauen und in der Seele tragen, bilden hier auf Erden zusammengefasst die große unsichtbare Gemeinde Gottes, die einst am Tage der Herrlichkeit offenbar werden und dieses Lamm wiedersehen wird, als ihren verklärten ewigen König. Dann wird sie erfahren, was die Weissagung des neuen Bundes verkündet: „Das Lamm Gottes wird sie weiden und leiten zu den lebendigen Wasserbrunnen und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.“
Johannes Ernst von Holst (1828-1898) war evangelischer Pfarrer und Stadtprediger in Riga und veröffentlichte diese Andachten 1895.