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CheckoutDa beriefen die führenden Priester mit den Pharisäern eine Sitzung des Rates ein und sagten: »Was sollen wir machen? Dieser Mann tut viele Wunder. Wenn wir ihn so weitermachen lassen, werden sich ihm noch alle anschließen. Dann werden die Römer einschreiten und uns auch noch den Rest an Verfügungsgewalt über Tempel und Volk entziehen.« Joh.11,47-48
Wacht auf!
Schon seit dem ersten Auftreten des Herrn waren ihm die Pharisäer und Ältesten böswillig begegnet. Je höher die Sonne seines Wirkens stieg, umso mehr vertiefte sich ihre Feindschaft. Er passte nicht zu ihnen und sie passten nicht zu ihm. Sie verlangten ein glänzendes politisches Messiasreich, er forderte Buße und Bekehrung der Herzen. Sie trachteten nach Genuss und Macht, er forderte Gehorsam und Hingabe. So steigerte sich die Feindschaft zu mörderischem Hass.
Sie verlangten ein glänzendes politisches Messiasreich, er forderte Buße und Bekehrung der Herzen.
Schon während seiner vorletzten Anwesenheit in Jerusalem hatten sie ihn steinigen wollen. Aber er hatte sich damals ihren Händen entzogen, weil seine Stunde noch nicht gekommen war und er ihnen noch eine Gnadenfrist gewähren wollte. Darauf erschien er plötzlich noch einmal vor den Toren der Königsstadt im stillen Bethanien, wo er in der Auferweckung des Lazarus seine göttliche Majestät durch das Gewand der Niedrigkeit herrlicher denn je hindurchleuchten ließ. Diese Tat war eine gewaltige Predigt ohne Worte an sein Volk, war der letzte erschütternde Weckruf an seine Stadt: „Wach‘ auf Du Stadt Jerusalem!“ Verstand sie auch diese letzte Mahnung nicht, dann musste das Gericht hereinbrechen.
Entweder - oder
Die Auferweckung des Lazarus rief eine ungeheure Aufregung im Volk hervor und viele glaubten an den göttlichen Todesbezwinger. Aber gerade dadurch entflammte sich in den herrschenden Kreisen der langgenährte Hass zu fanatischer Wut. Eine Versammlung des Hohen Rats wird gehalten und während der Herr in heiliger Liebe sich anschickt, den Leidenskelch zu trinken, wird ihm hier in der Höhle des Hasses der Gifttrank bereitet: „Was sollen wir tun?“ fragen die Ältesten Israels. Eine notwendige Frage, wenn es sich um wichtige Beschlüsse handelt. Wie viel Unheil ist durch voreiliges Handeln verschuldet worden! Diese Männer jedoch fragen nicht, um die Wahrheit zu finden, sondern um sie zu unterdrücken, nicht um den Willen Gottes zu erkennen, sondern um den gottlosen Eigenwillen durchzusetzen. Sie bekennen selbst: „Dieser Mensch tut viele Zeichen“, „es werden Alle an ihn glauben“, - aber statt nun zu ihm hinzueilen und anbetend Herz und Leben in seinen Dienst zu stellen, - sinnen sie auf seinen Untergang, nur um ihren persönlichen Einfluss auf Land und Volk zu behaupten und so den verhassten Römern in ihrer Weise die Stirn bieten zu können.
Sie fragen nicht, um die Wahrheit zu finden, sondern um sie zu unterdrücken, nicht um den Willen Gottes zu erkennen, sondern um den gottlosen Eigenwillen durchzusetzen.
Ähnlich geht es noch heute in manchen von Leidenschaften aufgewühlten Menschenherzen und in manchen aufgeregten Volksversammlungen zu, wenn es darum geht, die Stimme der Wahr;heit und des Gewissens zu betäuben und stattdessen, für einen innerlich schon beschlossenen Frevel, einen wohllautenden Titel oder eine günstige Gelegenheit zu finden. Wir aber wollen solche Gesinnung und die Gemeinschaft solcher Leute wie die Pest fliehen und viel lieber mit und bei dem Herrn leiden und sterben, als ohne und gegen ihn zu leben und zu herrschen.
Johannes Ernst von Holst (1828-1898) war evangelischer Pfarrer und Stadtprediger in Riga und veröffentlichte diese Andachten 1895.