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CheckoutDamals ging die Mutter der beiden Söhne von Zebedäus zusammen mit ihren Söhnen zu Jesus hin und warf sich vor ihm nieder, weil sie ihn um etwas bitten wollte. »Was möchtest du denn?«, fragte Jesus. Sie sagte: »Ordne doch an, dass meine beiden Söhne rechts und links neben dir sitzen, wenn du deine Herrschaft angetreten hast!« Jesus sagte zu den beiden Söhnen: »Ihr wisst nicht, was ihr da verlangt. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?« »Das können wir!«, antworteten sie. Jesus erwiderte: »Ihr werdet tatsächlich den gleichen Kelch trinken wie ich, aber ich kann nicht darüber verfügen, wer rechts und links neben mir sitzen wird. Auf diesen Plätzen werden die sitzen, die mein Vater dafür bestimmt hat.« Die anderen zehn Jünger hatten das Gespräch mit angehört und ärgerten sich über die beiden Brüder. Math.20,20-24
Ehrenplätze
Es war eine edle Bitte, welche Johannes und Jakobus durch ihre Mutter Salome an ihren Meister richteten. Edel war die Gesinnung, der alle Ehre bei irdischen Königen als nichtig erschien im Vergleich zu einem Ehrenplatz an der Seite Jesu, mächtig der Glaube, dass die Herrlichkeit des erniedrigten Menschensohnes, trotz aller Leidensverkündigungen bald alle menschliche Hoheit überstrahlen werde, heiß die Liebe, die kein seligeres Ziel erstrebte, als allezeit bei dem Herrn zu bleiben und stolz der Mut, der Solches zu erbitten wagte.
Fremdes Feuer
Doch brannte bei alldem ein fremdes Feuer in dieser Bitte der Donnersöhne. Denn es war darin auch vorwitzige Eitelkeit, rücksichtsloser Hochmut und fleischliche Messiashoffnung enthalten. Darum wies der Herr sie mit sanftmütiger Erhabenheit und ernster Rüge zunächst ab: „Ihr wisst nicht, was ihr da verlangt.“ und hielt ihnen den Kelch, den er trinken, die Taufe, mit der er getauft werden müsse, vor die Augen. Damit erinnerte er sie in zwei Bildern an sein bevorstehendes, bereits wiederholt verkündigtes Leiden und Sterben. Wie einst das Taufwasser ihn in diesem Jordan, an dem sie nun wieder standen, beim Antritt seines Amtes überströmt hatte, so sollten nun die dunklen Leidensfluten von außen über ihn daher wogen. Wie der edle Inhalt des Kelches getrunken werden muss, um zu erquicken, so muss aller Trübsalswein mit eigenem festen Willen innerlich angeeignet, der Zorneskelch Gottes mit demütiger Ergebung geleert werden, wenn des Vaters Ratschluss in Erfüllung gehen soll. So will der Herr ihnen den Grundsatz seines Reiches tief einprägen: nur durch Demut zur Größe, nur durch Dienen zur Herrschaft, nur durchs Kreuz zur Krone! Wer mit Jesus aufwärts will, muss erst mit ihm hinab.
… nur durch Demut zur Größe, nur durch Dienen zur Herrschaft, nur durchs Kreuz zur Krone!
Auf die einschneidende Gewissensfrage des Herrn, ob sie nun seinen Kelch trinken, seine Taufe erdulden können und wollen, antworteten die beiden Jünger zwar mit vorschnellem Selbstvertrauen aber auch mit kühner Wahrhaftigkeit ihr freudiges: „Ja!“ sie haben dieses „Ja“ später ehrlich eingelöst, - Johannes durch ein langes, leidensvolles Leben im treuen Dienst des Herrn, Jakobus, der erste der Märtyrer, durch seinen frühen blutigen Tod.
Nicht ohne das Kreuz!
Wir wollen es hier wieder zu Herzen nehmen: „ein Christ kann ohne Kreuz nicht sein.“ Je näher wir dem Herrn sein wollen, umso tiefer müssen wir äußerlich oder innerlich mit ihm hinab. Das ist die unerlässliche Bedingung. Darum, meine Seele, lass die Frage deines Herrn tief in dein Gewissen eindringen: Kannst du, - willst du, seinen Kelch trinken, seine Taufe erdulden? Selig, wer in Demut durch Leben und Sterben sein „Ja“ dazu gibt.
Johannes Ernst von Holst (1828-1898) war evangelischer Pfarrer und Stadtprediger in Riga und veröffentlichte diese Andachten 1895.