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CheckoutDie Geburt eines Kindes ist eines der größten Wunder der Schöpfung. Nach den Monaten des Wartens und den schmerzvollen Stunden der Geburt tritt ein neues Wesen in die Welt. Seit jeher wurde das Geschenk des neuen Lebens mit großer Freude gefeiert. Im Johannes-Evangelium heißt es: »Wenn eine Frau gebären soll, ist sie bekümmert, weil ihre Stunde gekommen ist; aber wenn sie das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an ihre Not über der Freude, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist.« Aber der Volksmund hat nicht ganz Unrecht, wenn er sagt, dass eine Frau während der Geburt mit einem Bein im Grab steht. Sogar heute ist jede Geburt von einer gewissen Sorge begleitet, und in der Tat kann es für Mutter und Kind tödlich ausgehen. Dorli, die Frau eines meiner Neffen, beschreibt ihre widerstreitenden Gefühle nach der Geburt ihres ersten Kindes:
Stefan kam sieben Wochen zu früh in einem Universitätskrankenhaus zur Welt. Ich werde niemals das Wunder seines ersten kleinen Schreichens vergessen. Es war das einzige Mal, dass ich seine Stimme gehört habe. Ich sah meinen Sohn nur aus dem Augenwinkel, dann war er schon mit größter Eile zur Untersuchung in einen anderen Raum gebracht worden. Zwei Stunden nach seiner Geburt wurde ich zur Frühchenstation gefahren, wo ich mein Kind sehen und anfassen durfte. Er war winzig, wog weniger als 1500 Gramm und hatte eine dicke, dunkle Haarsträhne. Er war an eine ungeheure Anzahl von Instrumenten angeschlossen, die seine Körperfunktionen überwachten und sein Atmen regelten. Ich war so dankbar und voller Freude über das Wunder, dass dieser kleine Junge da war. Ich war überzeugt, dass er überleben würde. Mein Mann Eddie war sich da nicht so sicher, aber das erfuhr ich erst später. Er war 1989 als freiwilliger Helfer nach dem großen Erdbeben von Spitak nach Armenien gefahren. Dort hatte er die Flüchtigkeit des Lebens und das Leid unzähliger Menschen mit eigenen Augen gesehen. Stefan lebte genau 26 Stunden und zwei Minuten. Durch seine frühe Geburt wurden mehrere angeborene Krankheiten so sehr verschlimmert, dass sie nicht mehr behandelt werden konnten. Ich erinnere mich noch, wie ich einfach nicht aufhören konnte zu weinen, als eine Gruppe von Ärzten uns sechs Stunden vor seinem Tod in ein Sprechzimmer riefen und uns erklärten, dass Stefan wahrscheinlich eine Erbkrankheit hätte und dass er nicht lange leben würde. Ich hielt mich an Eddie fest und versuchte zu begreifen, was man uns gerade gesagt hatte. Unser Hausarzt kam zu uns und stand uns in diesen schrecklichen Stunden bei. Jeder wusste, dass Stefan sterben würde. Man nennt diese Momente »schwer«, aber in Wirklichkeit kann kein Wort beschreiben, was wir damals erlebt haben. Ich wusste nur, dass Stefan frei wäre, wenn ich loslassen würde – frei, um in eine bessere Zukunft einzutreten, als wir sie ihm hier hätten bieten können. Als seine Seele zu Gott ging, hielt ich meinen Sohn in den Armen.
Aber nicht nur der Tod eines lebend geborenen Kindes trifft Eltern so schwer. Ich habe viele Paare seelsorgerisch betreut, die das Trauma einer Fehlgeburt erlebt hatten, und mir ist klar geworden, welchen Verlust das bedeutet und was für ein tiefer Schmerz das ist, besonders für die Mutter. Alice, eine Nachbarin, erzählt von ihrem Sohn Gabriel:
Als sich unser Sohn Gabriel anmeldete, hatten wir bereits vier Kinder. Aber mit ihm haben wir nie diesen Moment der Freude erlebt, den wir sonst bei jeder Geburt hatten. Ich war erst im fünften Monat, als wir herausfanden, dass unser Kind kaum eine Chance haben würde. Wir hatten eine solche Sehnsucht nach diesem Kind, aber wir wussten auch, dass wir loslassen mussten. Darauf war ich nicht vorbereitet gewesen. So etwas passierte nur anderen Leuten. Wie hatte es uns treffen können? Wir sahen ihn mehrmals auf dem Ultraschallgerät, er war ganz da und ganz lebendig – so schien es zumindest. Er war unser Baby, ein richtiger kleiner Mensch. Wie konnte er uns genommen werden? Eines Tages hörte sein Herz auf zu schlagen. Noch ein Check. Immer noch kein Herzschlag. Unser kleines Baby war gestorben. Es war tot.
Nach der Geburt konnten sich Alice und ihr Mann von ihrem Sohn verabschieden. Es war ein unvergessliches Erlebnis, die beiden zu sehen, wie sie Gabriels kleines Körperchen in den Händen hielten und ihn sanft in den Sarg legten, den ein Freund liebevoll angefertigt hatte. Wir begleiteten die Eltern zum Friedhof und begruben das Baby unter Tränen. Alice schrieb später über dieses Erlebnis:
Ich glaube, man muss Eltern erlauben und sie wenn nötig ermutigen, sich offen mit ihrer Trauer auseinanderzusetzen. Wenn das nicht passiert, dann wird es viele Jahre dauern, bis diese Wunde verheilt ist – wenn sie überhaupt heilt. Aber es soll sich niemand wundern, dass es Zeit braucht, bis man Frieden findet. Man muss bereit sein, den Schmerz wirklich zu durchleben. Trauer wird vielleicht immer da sein, aber man muss zu einem inneren Frieden kommen.
Der Tod eines Babys ist nicht nur sehr schmerzhaft, sondern er stellt auch unseren Glauben auf eine schwere Probe. »Warum hat Gott dieses Kind überhaupt ins Leben gerufen, wenn es nur ein so kurzes Leben haben sollte?« Meine Mutter, die selbst zwei Kinder verloren hatte, hat nie eine Antwort auf diese Frage gefunden. Aber in ihrem Glauben wusste sie, dass Gott keine Fehler macht. Sie wusste, dass sich in jedem Leben die Liebe des Schöpfers spiegelt, und dass auch das kürzeste Leben seine Botschaft trägt. Obwohl der Tod ein Rätsel ist, das niemand vollständig erklären kann, dürfen wir nicht versuchen, allen Kontakt mit ihm zu vermeiden. Die Kultur, in der wir leben, scheut den Anblick des Todes, besonders wenn der Körper des Verstorbenen durch einen Unfall oder eine Autopsie entstellt worden ist. Hier wird meistens von einem Abschied am offenen Sarg abgeraten, damit der Familie die grausamen Einzelheiten erspart bleiben. Aber dieser Rat ist nicht immer gut. Immerhin ist der Tod wirklich endgültig, egal wie sehr man versucht, den Schock zu mildern. Jeanette, die im Gegensatz zu Alice ihr Baby nie sehen konnte, schreibt:
Unsere einzige Tochter wurde tot geboren und am nächsten Tag, dem Geburtstag ihres Vaters, begraben. Der traurigste Teil dieser Geschichte ist, dass wir nie die Gelegenheit hatten, sie zu sehen oder sie in unseren Armen zu halten. Sie wurde nach langen, schmerzhaften Wehen mit Kaiserschnitt geboren. Mein Zustand war nach der Geburt kritisch und so war mein Mann ganz auf sich gestellt, als die Ärzte auf ihn zukamen und fragten, ob das Baby zur Autopsie in ein Labor gebracht werden könne. Er stimmte zu. Die Schwangerschaft war normal verlaufen, und er wollte wissen, wie das Baby so kurz vor der Geburt hatte sterben können. Dem Labor gelang es allerdings nicht, die Ursache herauszufinden, und wir haben unsere Tochter danach nicht mehr zu Gesicht bekommen. Der Arzt riet uns davon ab, sie nochmal zu sehen, weil ihr kleiner Körper ganz zerschnitten und am auseinanderfallen war. Ich lag noch zwei weitere Wochen auf der Intensivstation. Meine Tochter habe ich nie gesehen und ich habe sie nie in meinen Armen gehalten. Das alles ist jetzt schon über zwanzig Jahre her, aber mein Mann und ich können bis heute noch nicht miteinander über diesen Verlust reden, beiden von uns blutet noch das Herz. Wir könnten uns die Haare ausreißen, dass wir damals zugelassen haben, dass unserem kleinen Mädchen so etwas angetan wird. Heute erscheint uns das als das Wahnsinnigste, was wir je gemacht haben.
Aus solchen Erfahrungen habe ich gelernt, wie wichtig es ist, dass Eltern von totgeborenen Babys erlaubt wird, zu realisieren, dass ihr Kind wirklich gelebt hat und dass es eine ewige Seele besitzt, genau wie jedes gesund zur Welt gekommene Kind. Die Eltern müssen wissen, dass Gott diese kleinen Seelen aus einem bestimmten Grund zu uns schickt. Das zu wissen kann für Eltern eine große Hilfe sein, auch wenn sie weiterhin mit der Frage ringen, warum ihr Kind nur so kurz zu leben hatte. Es ist oft sehr heilsam, dem Kind einen Namen zu geben, ein Foto oder einen Fußabdruck zu machen, es zu wiegen und seine Größe zu messen. Wenn noch andere Kinder in der Familie sind, kann man mit ihnen über das Baby reden, das Gott wieder zu sich genommen hat. All das sind Dinge, die helfen, sich später an das Kind zu erinnern und zu wissen: Unser Kind hat wirklich gelebt, es war nicht alles nur ein Traum. Der berühmte russische Schriftsteller Leo Tolstoi schreibt nach dem Tod eines seiner Kinder:
Wie oft schon habe ich mich, genau wie so viele andere Menschen, gefragt: »Warum müssen Kinder sterben?« Ich habe die Antwort nie gefunden. Aber kürzlich, als ich eigentlich gar nicht an Kinder gedacht hatte, da kam mir der Gedanke, dass die einzige Aufgabe, die jeder einzelne Mensch in seinem Leben hat, darin besteht, die Liebe in sich zu stärken und sie dadurch auf andere zu übertragen, so dass auch ihre Liebe stärker werde. Unser Kind hat gelebt, damit wir, die um es herum lebten, von derselben Liebe ergriffen werden würden. Nun ist es heimgegangen zu Gott, der die Liebe selbst ist, damit wir alle einander näherkommen. Nie waren meine Frau und ich uns näher als jetzt in dieser Stunde, und nie zuvor wussten wir uns so angewiesen auf Liebe. Nie hatten wir eine stärkere Abneigung gegen alle Zwietracht und alles Böse.
Aber der Verlust eines Kindes wird nicht automatisch dazu führen, dass Eltern näher zueinander finden. Es kann die elterliche Beziehung auch einer schweren Prüfung unterziehen. Dorli erinnert sich:
Am schlimmsten war es nach der Beerdigung. Ich ging sehr oft alleine zu Stefans Grab und weinte und weinte. Viele Leute sind so schnell mit irgendwelchen Binsenweisheiten zur Stelle. Eine davon ist die, dass sich ein Paar durch Trauer und Leid näherkommt. Von so etwas darf man nicht einfach ausgehen. Das kann zwar so sein, aber der Tod eines Kindes kann auch eine große Belastungsprobe für die Ehe darstellen. Bei uns war das der Fall. Ich konnte nicht verstehen, wie Eddie so einfach zurück an seine Arbeit gehen konnte, es schien ihn alles überhaupt nicht zu berühren. Ich sah ihn nie weinen. Ich, die Sensible, weinte monatelang. Weil unsere Gemeinde uns durch Gebet und praktische Unterstützung beistand, und auch durch das Verstreichen von Zeit konnte ich akzeptieren, dass Eddie auf eine Weise trauerte, die ganz anders war als meine. Ich weiß nicht, ob unsere Ehe ohne diese sanfte Hilfe und Führung diese Krise überlebt hätte. Und es ist noch nicht zu Ende. Es kommt immer wieder vor, dass ich zu Eddies Überraschung in Tränen ausbreche. Man kann den Tod eines Kindes nicht »reparieren«. Ich habe gelernt, die Trauer als einen Teil von mir zu akzeptieren. Ich habe bei jedem unserer Kinder, das nach Stefan geboren wurde, gehofft, dass damit die Trauer abgeschlossen ist, aber das war nicht so. Der Schmerz ist schwächer geworden, aber etwas wird bleiben, bis wir wieder bei Gott vereinigt sind.
Jedes Mal, wenn ein Baby oder ein Kleinkind stirbt, werden wir daran erinnert, dass die Erde noch nicht wirklich unsere Heimat ist und dass unser Leben hier kurz ist – wie eine Blume, ein Grashalm oder ein Schmetterling. Gleichgültig wie alt das Kind war, gleichgültig wie viele Stunden, Tage oder Monate uns gegeben waren, um es zu lieben und kennenzulernen: Der Schmerz scheint unerträglich, und die Wunden scheinen nie vollkommen zu verheilen. Was bleibt uns anderes übrig, als zusammen mit den trauernden Eltern darauf zu vertrauen, dass in Jesus wirklich Heilung gegeben wird, auch wenn es so langsam geht, dass wir es kaum wahrnehmen können. Jedes Neugeborene ist ein Bild der Unschuld und der Vollkommenheit der Schöpfung, und wir sehnen uns nach dem Tag, an dem die ganze Welt erlöst und die ursprüngliche Vollkommenheit der gesamten Schöpfung wiederhergestellt werden wird, wir sehnen uns nach dem Tag, an dem es keinen Tod mehr geben wird und keine Tränen. Wir glauben daran, und die Bibel verspricht uns, dass das geschehen wird, wenn Christus wiederkommt. Der schottische Autor George MacDonald, der selbst den Verlust mehrerer Kinder erlebt hat, schreibt:
Sogar die Haare auf unserem Haupt sind gezählt, so sagte Christus, der es doch wusste. Ist es da nicht überaus deutlich, dass Kinder nicht zufällig in die Welt geworfen werden und dass sie weder durch Pflege noch durch irgendeine Macht der Medizin in ihr bleiben? Alles vollzieht sich nach himmlischem Willen und göttlicher Anordnung. Einige von uns werden sich eines Tage dafür schämen müssen, wie wir um unsere Toten geklagt haben. Geliebte Kinder, wir wollen warten, sogar darauf warten, eure geliebten Gesichter wiederzusehen, denn wir wissen, dass ihr zum Vater Jesu Christi gegangen seid, der auch euer und unser wahrer Vater ist. Unser Tag wird kommen, der Tag eurer und unserer Freude, und alles wird gut sein.
Auszug aus „Hab keine Angst“ von Johann Christoph Arnold. E-Mail an Info@plough.com, um ein kostenloses Freiexemplar zu bestellen.