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    buildings in Sanaa Yemen

    Warum im Jemen Hunger herrscht

    Eine Hungerkatastrophe, die gewollt ist

    von Daniel Larison

    Dienstag, 23. Juli 2019

    Verfügbare Sprachen: 한국어, français, English

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    Hungersnöte sind in der heutigen Zeit fast nie die Folge eines Mangels an Nahrung. Das mag seltsam klingen, denn im Laufe der Geschichte mussten Menschen fast immer Hunger leiden, wenn Ernten ausfielen oder Kriege die Nahrungsvorräte dezimierten. Doch das gehört längst der Vergangenheit an. Heute sind Hungersnöte menschengemacht und entstehen nicht durch versehentliche Versäumnisse. Vielmehr sind es häufig politische Führer, die entscheiden, einer Gruppe von Menschen, deren Leben sie für entbehrlich halten, diese Strafe aufzuerlegen. Um im 21. Jahrhundert eine Hungersnot auszulösen, bedarf es eines erheblichen Maßes an organisatorischem Aufwand. Menschen setzen sie gegen andere ein, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Demgemäß zählen Hungersnöte zu den Massengräueltaten und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Eines dieser Verbrechen gegen die Menschlichkeit ereignet sich gegenwärtig im Jemen.

    Kind in einem Flüchtlingslager in Ibb, Jemen, August 2018

    Kind in einem Flüchtlingslager in Ibb, Jemen, August 2018. Foto von Mariman El-Mofty. Mit Genehmigung verwendet.

    Vier Jahre Krieg haben den Jemen schwer gezeichnet. Wie Alex de Waal in Mass Starvation, seiner lesenswerten Geschichte der Hungersnöte der Neuzeit, schreibt, „bedarf es des aktiven Tuns und damit politischer Entscheidungen, um aus einer Katastrophe ein Massenhungern zu machen.“ Tatsächlich ist die Hungersnot im Jemen größtenteils die Folge der Wirtschaftsblockade und anderer politischer Entscheidungen der von Saudi Arabien unterstützten, international anerkannten jemenitischen Regierung von Präsident Hadi. Hadi war der Nachfolger von Ali Abdullah Saleh, der den Jemen über dreißig Jahre lang regiert hatte, bis ihn 2011 Proteste zum Rücktritt zwangen. Hadi selbst wurde wiederum durch die auch als Huthi bekannte Ansar-Allah-Bewegung im September 2014 mit einem Putsch abgesetzt. Im Frühjahr 2015 begann dann eine Koalition arabischer Regierungen unter Führung Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate mit Unterstützung der USA eine Militärintervention, um Hadi wieder einzusetzen und die Huthi aus der Hauptstadt zu vertreiben. Saleh und die Huthi schlossen daraufhin ein Zweckbündnis, das im vergangenen Jahr zerbrach, als sich die Huthi mit Saleh überwarfen und ihn töteten. Seitdem ist die Koalition ihrem Ziel nicht nähergekommen, aber die Bevölkerung des Jemens wurde in eine tiefe Krise gestürzt.

    Die Zivilbevölkerung des Jemens wurde in eine tiefe Krise gestürzt.

    Infolge der Schäden, die die Luftangriffe der saudischen Koalition dem Land zugefügt haben sowie aufgrund der durch die US-gestützte saudische Koalition verhängten See- und Luftblockade, der Verlegung der Zentralbank nach Aden, der Entwertung der jemenitischen Währung und der über zweijährigen Nichtauszahlung der Gehälter von Staatsbediensteten, ist die Wirtschaft des Jemens praktisch zusammengebrochen. Für die meisten Jemeniten bedeutete dies eine Verschärfung der Armut. Mindestens fünfzehn Millionen Menschen – über die Hälfte der Gesamtbevölkerung – leben in so großer Ernährungsunsicherheit, dass sie Gefahr laufen zu verhungern. Zwar lassen sich auf jemenitischen Märkten durchaus Lebensmittel finden, doch durch Krieg und Inflation sind diese für die verarmte Bevölkerung unerschwinglich geworden. Außerdem verursacht der gegen die Zivilbevölkerung geführte Wirtschaftskrieg wesentlich mehr Tote durch vermeidbare Ursachen als Luftangriffe und Bombardierungen. Nach Schätzungen der Kinderrechtsorganisation Save the Children sind im Jemen seit 2015 mindestens fünfundachtzigtausend Kinder verhungert.

    Kinder sind durch die verheerenden Auswirkungen einer Hungersnot im Allgemeinen am stärksten gefährdet, insbesondere weil für sie durch die Mangelernährung das Risiko steigt, an Krankheiten zu sterben. Die traurige Geschichte von Amal Hussain, einem siebenjährigen jemenitischen Mädchen, steht stellvertretend für das Leid von Millionen Kindern in diesem Krieg. Die New York Times berichtete bereits Ende Oktober 2018 über Amals Situation und veröffentlichte ein erschütterndes Foto ihres zerbrechlichen, durch extremen Hunger und Durchfall geschwächten Körpers. Nur wenige Tage nach Erscheinen des Artikels war Amal tot. Sie und ihre Familie hatten, seit ihr Haus drei Jahre zuvor durch einen Luftangriff der saudi-arabisch geführten Koalition zerstört worden war, als Flüchtlinge im eigenen Land gelebt. In einem Lager für Inlandsflüchtlinge war Amal dann langsam dahingesiecht. Millionen jemenitischer Kinder sind genauso stark unterernährt, und ihre Familien genauso arm. Doch selbst Kinder, die nicht an Hunger und Krankheiten sterben, leiden an Entwicklungsverzögerungen, und ihr Leben wird durch das Erleiden von Krieg und Hunger dauerhaft beeinträchtigt sein.

    In dem Maße wie Hungersnöte politische Ursachen haben, können sie auch mit politischen Mitteln gelöst werden.

    In dem Maße wie Hungersnöte politische Ursachen haben, können sie auch mit politischen Mitteln gelöst werden. Leider stießen diese verheerenden Hungersnöte weltweit nicht auf die gleiche Aufmerksamkeit oder das Interesse, das anderen Massengräueltaten entgegengebracht wird. Über Länder, die von Hungerkatastrophen betroffen sind, wird in den Medien nur selten berichtet. Und falls doch Meldungen erscheinen, bewirken diese bei Politikern und Öffentlichkeit offenbar wenig oder gar nichts. Infolgedessen besteht die reale Gefahr, dass in zahlreichen Ländern, in denen ausländische Regierungen entweder daran beteiligt sind, ein Massenhungern herbeizuführen, oder kein Interesse daran haben, eine solche Katastrophe abzuwenden, Hungersnöte wieder auftreten könnten. Nachdem es gelungen war, den Hunger fast vollständig auszurotten, scheint die Welt dessen grauenvolle Rückkehr kaum zu bemerken.


    Aus dem Englischen übersetzt von Natalie Krugiolka.

    Von

    Daniel Larison ist Chefredakteur der US-Zeitschrift American Conservative, für die er auch einen Blog verfasst. Er promovierte in Geschichte an der University of Chicago und lebt in Lancaster, Pennsylvania.

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