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Schickt uns euren Überschuss
Südsudans Kinder bedanken sich für die Lieferung künstlicher Hüftgelenke.
von Matthew Loftus
Dienstag, 8. Oktober 2024
Es war immer ein besonderer Tag, wenn ein neuer Schiffscontainer in unserem Krankenhaus für Frauen und Kinder im Südsudan eintraf. Die Container reisten Monate durch die Welt bevor sie bei uns ankamen. Wir öffneten freudig die großen Metalltüren und fragten uns, was sich wohl darin befand: Verbandsmaterial? Nicht abgelaufene Medikamente? Frisches OP-Material als Ersatz für die vom ständigen Gebrauch ausgefransten Tücher?
Eines Tages öffneten wir einen Container und stellten fest, dass ein Krankenhaus in Amerika kistenweise Kugellager für künstliche Gelenke gespendet hatte. Diese sind für Gelenkersatzoperationen unerlässlich, aber unser Krankenhaus war nicht in der Lage, solche Operationen durchzuführen; wir entbanden ausschließlich Babys und kümmerten uns um sehr kranke Kinder. Eine der Kisten wurde geöffnet und Kinder aus dem nahe gelegenen Waisenhaus spielten mit den Titanteilen im Wert Tausender Dollar im roten Staub ihres Fußballplatzes.
Unsere Teamleiter nannten es „das Makelhafte-Lamm-Syndrom“ und bezogen sich dabei auf die Stelle im Buch Levitikus: „Du sollst nichts opfern, was einen Makel hat, denn es ist für dich nicht annehmbar.“ Spenden an Wohltätigkeitsorganisationen und arme Länder sind oft Überbleibsel, das ungewollte Treibgut aus dem Inventar anderer. Auf afrikanischen Märkten findet man T-Shirts, auf denen der falsche Super-Bowl-Sieger gefeiert wird, oder solche, auf denen die Sponsoren des Truthahnrennens 2012 einer amerikanischen Kleinstadt prangen. In jedem Missionskrankenhaus findet sich ein Raum voller Gerümpel. Mitgebracht, weil jemand dachte, es könnte nützlich sein, liegt es nun dort herum und verstaubt. Missionare und Einheimische lachen gleichermaßen, wenn sie über die Menschen urteilen, die das Gegenteil des Groschens der Witwe gegeben haben.
Zugegeben, es ist schwer zu wissen, was irgendwo weit weg nützlich sein könnte. In unserer Familie machten wir die Erfahrung, dass Kleidung und Möbel, die wir weggeworfen hatten, aus dem Müll geholt und weiter verwendet wurden. Wir versuchen, Kleidung, aus der wir herausgewachsen sind, und Dinge, die wir nicht mehr brauchen, zu verschenken, aber es mutet beschämend an, einem Freund ein Hemd zu schenken, das ein Loch hat. Offenbar ist es weniger beschämend, ein solches Hemd aus dem Mülleimer zu ziehen.
Es gibt eine ganze Bibliothek, die das „Helfen, ohne zu verletzen“ beschreibt – es geht weit über das Abladen des eigenen Mülls bei anderen hinaus und zeigt, wie selbst die am besten gemeinten Geschenke schief gehen können. Das Grundproblem besteht darin, dass Menschen das Gefühl haben wollen, etwas Gutes getan zu haben, ohne sich die Zeit zu nehmen nachzudenken, ob dieses Gute beim Empfangen genauso gesegnet ist wie beim Geben. Und die Dinge wegzugeben, die man sowieso nicht mehr braucht, ist am einfachsten.
Der Überfluss und der Müll in unserer Welt machen uns zu Recht unruhig: riesige Plastikmüllfelder im Meer, Lebensmittel in Mengen, die groß genug wären den Welthunger zu beenden, die in Müllcontainern entsorgt werden, Elektrogeräte, die nach nur zwei Jahren Gebrauch gewechselt werden und an afrikanischen Stränden landet. Als Arzt denke ich an meine Nachtdienste in amerikanischen Spitälern. Ich ordnete unnötige Tests im Wert von Tausenden von Dollar an, um mich gegen potentielle Klagen abzusichern. Dies sind Symbole für den langen Schatten der Technologie: Jede Einwegspritze muss irgendwo hin, wenn man sie nicht mehr braucht. Eine der schrecklichen Enthüllungen der letzten Jahre war die Erkenntnis, dass der größte Teil des Plastiks einfach nicht recycelt werden kann und Kunststoffhersteller absichtlich versuchen, diese Tatsache zu verschleiern.
„Wenn man das Schiff erfindet, erfindet man auch den Schiffbruch; wenn man das Flugzeug erfindet, erfindet man auch den Flugzeugabsturz“, sagte der französische Theoretiker Paul Virilio. „Jede Technologie bringt ihre eigene Schattenseite mit sich, die gleichzeitig mit dem technischen Fortschritt erfunden wird: die Absurditäten des Überflusses. Der Überschuss ist die Gratifikation der Technologie, ein Zeichen dafür, dass wir über das hinausgegangen sind, was zum Überleben notwendig war. Wir können diesen Überschuss für etwas verwenden, was wir nicht unbedingt brauchen, denn die Produktion von Überfluss erlaubt es uns, über mehr als nur unseren Lebensunterhalt nachzudenken. Wenn die Muße die Grundlage der Kunst ist, so ist der Überfluss in vielerlei Hinsicht die Grundlage der Großzügigkeit. Unsere Vorfahren düngten ihre Felder mit Fäkalien, fermentierten ihre Essensreste und verwerteten alle Teile des Büffels, weil sie so überleben konnten; etwas zu verschwenden, hätte die Überlebenschancen der Familie verringert. Heutzutage leben wir im Überfluss. Die „Zersetzung über Jahrhunderte in einer Mülldeponie“ ist ein unvermeidlicher Teil des Lebenszyklus von den meisten Dingen, die wir besitzen. Es gibt auch kein Entrinnen: Fast überall auf der Welt findet man selbst in den entlegensten Dörfern Plastikmüll und ausrangierte Autoteile.
In einer idealen Welt hätten wir die gleiche Einstellung wie unsere Vorfahren: „aufbrauchen, ausnutzen oder verzichten“, nur mit komfortableren Gewinnspannen. Der Überschuss, den die unglaublichen Technologien der Gegenwart hervorgebracht haben, würde für einen guten Zweck verwendet werden. (Im Idealfall würden die Geber die Empfänger fragen, was sie wollen, bevor sie es verschenken.) Der Spruch von Dorothy Day, dass der zusätzliche Mantel den Armen gehört, würde ernst genommen, wenn auch nicht wörtlich. Irgendwie würden wir einen Weg finden, all das Geld, das in Amerika für unnötige Untersuchungen verschwendet wird, meinen Patienten in Afrika zu geben, damit vierzigjährige Mütter nicht an Gebärmutterhalskrebs sterben.
Wir werfen nicht nur eine Menge Abfall weg, wir produzieren auch eine Menge Dinge, von denen wir wissen, dass sie einfach weggeworfen werden, wenn sie nicht mehr brauchbar oder modisch sind. Und wir kaufen eine Menge Dinge, die man ohne weiteres als „Müll“ bezeichnen könnte, und verschwenden das kostbare Geld, mit dem wir eigentlich haushalten sollten. Wie die meisten anderen Laster wird auch die Verschwendungssucht umso stärker, je mehr man ihr nachgibt.
Wir in den Missionsspitälern, die wir über die Spender der fehlerhaften Lämmer den Kopf schütteln, tun dies nur leise. Schließlich sind wir alle auf Geld- und Sachspenden von Menschen angewiesen, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen dazu entschlossen haben, großzügig zu sein. Der Container, der die Kugellager brachte, enthielt eine Menge nützlicher Dinge, und wir konnten aus dem Müll anderer eine ganze Menge Schätze bergen. Wir wären nicht in der Lage zu tun, was wir tun, wenn es nicht enormen Überschuss gäbe.
Mein Einsatz als medizinischer Missionar wäre ohne Technologie nicht möglich: Die Medikamente, die Labortests, die Einwegspritzen und andere alltäglichen Materialien werden durch Systeme unterstützt, wie digitale Versicherungspolizzen, die über Mobiltelefone zugestellt werden, oder Flugzeuge, die meine Familie und mich nach Kenia und wieder zurück fliegen. Im Krankenhaus verfolgen wir einen radikalen Ansatz um mit allem möglichst lange auszukommen und verwenden Einwegartikeln wieder, wenn dies gefahrlos möglich ist. Aber am Ende eines jeden Tages müssen wir immer noch viel wegwerfen. Wenn meine Freunde und Unterstützer allesamt Landwirte wären, die jeden Teil des Büffels verwenden, bliebe nichts übrig, um meine Flugtickets oder unsere Plastikspritzen zu kaufen.
Ich persönlich kann nicht behaupten, dass ich dem Herrn immer ein makelloses Lamm darbringe; meine Gebetszeit wird von einem wirklich lustigen Gedanken unterbrochen, den ich in den sozialen Medien posten muss, in meinen Missionsdienst mischt sich ein Wutausbruch wegen eines kaputten Gerätes. (Letzte Woche wurde eine lebenswichtige Operation abgesagt, weil das Krankenhaus nur einen Stent für einen Eingriff hatte, der zwei erforderte, und ich war kurz davor, das iPad, das ich in der Hand hielt, aus dem Fenster zu werfen).
Sparsamkeit ist eine Tugend, die man kultivieren kann, aber wir wollen auch nicht wie Judas sein und über die Kosten für das wohlriechende Öl für die Füße des Herrn schimpfen. Wir werden die Armen immer bei uns haben, was bedeutet, dass wir, wie es das levitische Gesetz vorschreibt, immer einen Weg finden müssen, um die Nachlese für die Bedürftigen zurückzulassen. Und sicherlich haben mehr als nur ein paar fehlerhafte Lämmer ihren Weg auf den Tisch eines armen Mannes gefunden, nachdem sie im Tempel abgewiesen wurden.
Wir sollten auf drei Arten an das Problem der Verschwendung herangehen: ein Gefühl der Dankbarkeit kultivieren, uns die Konsequenzen bewußt machen und geben, bis es weh tut.
Dankbarkeit lehrt uns, das, was wir haben, als ein Geschenk Gottes zu betrachten. Wenn Sie das, was Sie besitzen, als etwas betrachten, das Ihnen zusteht, werden Sie wahrscheinlich zu dem Schluss kommen, dass Sie mehr verdient haben. Wenn Sie so tun, als ob Sie über Ihr Einkommen frei verfügen könnten, werden Sie viele Dinge kaufen, die Sie bald wieder wegwerfen. Gott für alles zu danken – für Ihr Essen, Ihr Zuhause, Ihre Kleidung und sogar für Ihr Spielzeug und andere Vergnügungen – macht Sie frei von Besitzdenken. Und wenn alles, was Sie haben, ein Geschenk ist, neigen Sie weniger dazu, den Überfluss für sich selbst zu behalten.
Die Konsequenzen bewußt machen bedeutet meist, mit seinem Müll zu leben. Jede Woche wird in dem Krankenhaus, in dem ich arbeite, die Verbrennungsanlage in Betrieb genommen, und der beißende Geruch von brennendem Plastik weht über unsere Wohnräume. Es ist eine allgegenwärtige Erinnerung daran, was technisch gesehen nötig ist, um Leben zu retten, eine negative Konsequenz, der viele Menschen im Westen aus dem Weg gehen können. Ich vermute, dass die meisten Menschen weniger wegwerfen würden, wenn es ein Gesetz gäbe, das sicherstellt, dass der Müll in einem Umkreis von einem Kilometer um den Ort, an dem er entsorgt wurde, verbrannt wird. Versuchen Sie einmal, Ihren eigenen Müll eine Woche lang zu verbrennen, und sehen Sie, ob sich Ihr Konsumverhalten dadurch ändert.
Die Witwe hat ihre letzten beiden Münzen gegeben, aber wir können nicht erwarten, dass die Gesellschaft mit der gleichen moralischen Stärke vorgeht. Jeder von uns ist aufgerufen, um des Reiches Gottes willen unterschiedliche Opfer zu bringen, aber Opferbereitschaft gilt für jeden und ist unabhängig von der eigenen Position im Leben möglich.
Ich denke, wenn es um die Verwaltung Ihrer Ressourcen geht, sollten Sie so lange geben, bis es zumindest ein wenig weh tut. Gott will Ihr Herz mehr als Ihren Reichtum, aber übermäßiger Reichtum ist wie eine dicke Plastikverpackung um Ihr Herz herum. Geben Sie mehr davon ab, setzen Sie sich der Verletzlichkeit aus, vor denen uns der Überfluss schützt, und geben Sie Gott etwas mehr, als Sie entbehren können.
Sammeln Sie also nicht für sich selbst Müll auf der Erde, wo sich das Mikroplastik nicht auflöst und Sie darauf angewiesen sind, dass die Müllabfuhr Ihre Sachen abholt. Der von der Technik erzeugte Überfluss wird immer danach streben, Sie in Versuchung zu führen, wenn Sie ihn nicht zügeln. Seien Sie stattdessen dankbar für den Überfluss. Setzen Sie ihn sinnvoll ein, denn es gibt viele, die ihn brauchen. Aber um Himmels willen, fragen Sie bitte erst bei uns nach, bevor Sie ihn nach Afrika schicken.