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Die süße Kraft grüner Energie
In Musik, Kunst, Medizin und geistlichen Schriften versuchte die temperamentvolle Nonne Hildegard von Bingen „den heiligen Klang auszudrücken, durch den die ganze Schöpfung erklingt.“
von Susannah Black Roberts
Donnerstag, 20. Juni 2024
Verfügbare Sprachen: English
Und ich, ein menschliches wesen, weder entflammt mit der Kraft starker Löwen noch erfahren in ihren Ausdünstungen, verharrend in der Zerbrechlichkeit der schwächeren Rippe, erfüllt jedoch von mystischer Inspiration, sah…
Im winter 1148 überbrachte Bernhard von Clairvaux seinem früheren Schüler Papst Eugenius III. in Trier ein Manuskript, ein halbfertiges Werk seltsamer Natur. Bernhard hatte es ein Jahr zuvor erhalten, zusammen mit einem Begleitschreiben, das zugleich ängstlich und zuversichtlich klang: „Ehrwürdiger Pater Bernhard, Sie werden von der Macht Gottes in wunderbar hoher Ehre gehalten..… Pater, ich bitte Sie, beim lebendigen Gott, meine Fragen zu beantworten.“
Schreiberin war die Äbtissin eines kleinen Klosters im Rheinland. 1098 als zehntes Kind einer adligen Familie geboren, wurde sie der Kirche geschenkt und zur Oblatin geweiht. Noch vor ihrem achtzehnten Lebensjahr legte sie das Gelübde einer Nonne ab. Über die nächsten zwanzig Jahre ihres Lebens ist wenig bekannt, aber 1136 wählten die Nonnen ihres Klosters sie zur Äbtissin. Im Jahr 1141 begann sie, ermutigt von einem befreundeten Mönchs zu schreiben.
Sie hatte Visionen gehabt. Den Inhalt dieser und ihre Gedanken dazu fand Papst Eugenius III. in dem Manuskript, das ihm sein alter Lehrer vorlegte. Beeindruckt von ihrer seltsamen, lebendigen Autorität und überzeugt von ihrer Rechtgläubigkeit, bestätigte der Papst Hildegards Visionen als legitim und gab die Erlaubnis zur Veröffentlichung des Werkes. Die nächsten dreißig Jahre verbrachte sie als Autorin, politische Beraterin und geistliche Leiterin. Sie unternahm zahlreiche Vortrags- und Missionsreisen durch Europa und gründete zwei neue Klöster. Sie komponierte Musik und schuf visionäre Kunstwerke, Reproduktionen dessen, was sie sah.
Neben ihren visionären und theologischen Werken schrieb sie auch wissenschaftliche und medizinische Abhandlungen, Lieder und eine Oper, die von ihren Nonnen aufgeführt wurde. Sie korrespondierte mit vielen führenden Persönlichkeiten ihrer Zeit: vier Päpsten, vielen Kirchenmännern und mindestens einmal mit Kaiser Friedrich Barbarossa, als dieser sich wieder einmal in die Kirchenpolitik eingemischt hatte.
Offenbar hatte sie auch weiterhin Visionen, die ihre Einsicht und Kreativität beflügelten. Im Alter von drei Jahren hatte sie zum ersten Mal das gesehen, was sie „den Schatten des lebendigen Lichts“ nannte. „Ich habe große Wunder gesehen, seit ich ein Kind war“, sagte sie zu Bernard, doch sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. „Sanftmütiger Vater, du bist gefestigt; bitte antworte mir, deiner unwürdigen Dienerin, in deiner Güte, denn seit ich ein Kind war, habe ich mich nie sicher gefühlt, nicht eine einzige Stunde lang!“ Wie bei anderen Sehern wurde auch bei ihr posthum eine Hystero-Epilepsie und eine Migräne diagnostiziert (obwohl sie nie Kopfschmerzen während ihrer Visionen erwähnte). Solche Diagnosen reichen aber nicht aus, um die Erfahrung und den Geist dieser bemerkenswerten Frau zu verstehen.
Was wir wissen, ist das, was sie Bernhard und uns erzählt: Sie hat Visionen gehabt und Belehrungen dazu erhalten; sie glaubt, dass die Belehrungen spirituelle Lesungen der Heiligen Schrift betreffen, aber sie ist besorgt, dass sie sich irren könnte. „Ich weiß nur, wie man den einfachen Sinn liest, nicht wie man den Text analysiert.… Ich wurde in meinem Inneren belehrt, in meiner Seele. Deshalb spreche ich wie jemand, der zweifelt.“ Sie ist so etwas wie der heilige Paulus, der zum heiligen Petrus geht, um sich zu vergewissern, dass seine visionäre Erfahrung Christi übereinstimmt mit den konkreten historischen Lehren Christi. Sie möchte ihr Verständnis den Aposteln zu Füßen legen, um nicht der Esoterik hinterher zu rennen.
„Die Seele befeuchtet den Körper, damit er nicht vertrocknet, so wie der Regen in die Erde dringt.“
Hildegard of Bingen
Ihr Flehen selbst gibt einen Vorgeschmack auf die Art und Weise, wie sich ihr die Wirklichkeit darstellte – oder besser gesagt, wie Gott sich ihr darstellte und den Kosmos als seine Schöpfung präsentierte. „Ich flehe euch an: beim Glanz des Vaters, bei seinem wunderbaren Wort, beim süßen Humor der Barmherzigkeit, beim Geist der Wahrheit, beim heiligen Klang, durch den die ganze Schöpfung erklingt, beim Wort, aus dem die ganze Welt erschaffen wurde, bei der Höhe des Vaters, der durch die süße Kraft der grünen Stärke das Wort in den Schoß der Jungfrau sandte, wo es Fleisch annahm wie Honig in der Honigwabe!“
Sie war fasziniert von dem Gefühl der lebendigen Wirklichkeit des göttlichen Lebens, das den gesamten Kosmos – und den Mikrokosmos des menschlichen Körpers – mit der „Grünkraft“ des Geistes durchdringt. Die Kraft und Einsicht, die ihr diese Visionen verliehen, befähigten sie, am Aufbau der internationalen Kirche mitzuwirken, indem sie diese mit Briefen, die politischen, geistlichen und persönlichen Rat anboten, mit Poesie und Malerei, mit Medizin und Musik und mütterlicher Zuneigung zusammenhielt.
Das letzte Lebensjahr Hildegards war von einem bemerkenswerten Ereignis geprägt, das ihre Standhaftigkeit im Angesicht der Ungerechtigkeit beweist. Ein exkommunizierter Adliger starb, nachdem er gebeichtet und die Sakramente empfangen hatte. Hildegard ließ ihn auf dem Klosterfriedhof begraben. Die Prälaten der Diözese Mainz, die fälschlicherweise behaupteten, bei der Versöhnung des jungen Mannes sei etwas nicht in Ordnung gewesen, verlangten die Exhumierung seines Leichnams. Hildegard weigerte sich. Der Klerus stellte ihr Kloster unter ein Interdikt, das den Nonnen verbot, die Sakramente zu empfangen oder die Liturgie zu singen. Hildegard schrieb wie üblich Briefe, in denen sie sich für ihre Nonnen und sich selbst einsetzte, und einige Monate vor ihrem Tod wurde die Verfügung aufgehoben.