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Ein Lob dem Reparieren
Unsere Gesellschaft ist gewohnt, Dinge wegzuwerfen. Was, wenn wir sie stattdessen reparierten?
von Peter Mommsen
Freitag, 29. März 2024
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Haben landwirte ein Recht darauf, ihre Traktoren selbst zu reparieren? Der amerikanische Bauernverband ist dieser Meinung. Deshalb hat er in diesem Jahr eine Vereinbarung mit dem Traktorenhersteller John Deere getroffen. Bauern und Mechaniker können nun ihre Maschinen selbst reparieren, weil John Deere Wartungshandbücher und Diagnosewerkzeuge zur Verfügung stellt, auf die früher nur lizenzierte Werkstätten Zugriff hatten. Für viele Landwirte könnte das eine wirtschaftliche Verbesserung bedeuten, da ältere Traktoren länger genutzt werden können, anstatt wegen hoher Reparaturkosten ersetzt zu werden.
Die Vereinbarung mit John Deere ist ein weiterer kleiner, aber bedeutender Sieg für die „Right to Repair (zu Deutsch: Recht auf Reparatur) Bewegung.“ Diese bekämpft Praktiken, die die Möglichkeit zur Reparatur einschränken, die Kosten für die Nutzer in die Höhe treiben und sie dazu zwingen, Geräte früher zu ersetzen. Darunter fallen nicht austauschbare Laptop-Akkus, Software-Updates, die Videospielkonsolen deaktivieren, und Tonerkartuschen, die nicht mehr drucken, obwohl sie noch Tinte enthalten.
Ausrangierte Produkte überlasten Müll-deponien und verschmutzen infolgedessen das Trinkwasser. Deshalb argumentiert die Bewegung, dass Reparaturen der Schlüssel zur Behebung von Umweltschäden durch den Konsumkapitalismus sind. Rund um den Globus setzen sich Regierungen zunehmend dafür ein, ein Recht auf Reparatur im Gesetz zu verankern. Das indische Verbraucherministerium arbeitet an einem Gesetzesentwurf, der die Hersteller von Elektronik, landwirtschaftlichen Geräten und Autos verpflichtet, Menschen zu ermöglichen ihre Produkte selbst zu reparieren. Frankreich verlangt von Technikherstellern, dass sie ihre Produkte mit einem „Reparaturfähigkeitsindex“ versehen. Und in den Vereinigten Staaten hat die Federal Trade Commission angekündigt gegen Reparatureinschränkungen vorzugehen.
Unabhängig davon was diese politischen Maßnahmen tatsächlich bewirken, reagieren sie auf das wachsende Bewusstsein, dass eine Konsumwirtschaft, die darauf beruht, Menschen dazu zu bringen, Altes wegzuwerfen und Neues zu kaufen, nicht länger tragfähig ist. Doch in einer Zeit, in der Smartphones innerhalb weniger Monate veraltet sind und viele Kleidungsstücke nur ein- oder zweimal getragen werden, stehen die Verfechter der Reparatur vor großen Hindernissen. Schließlich ist die Veralterung von Konsumgütern seit einem Jahrhundert ein Eckpfeiler des Wachstums der entwickelten Volkswirtschaften.
In seinem 2006 erschienenen Buch Made to Break nennt der Historiker Giles Slade das Jahr 1923 als das Jahr, in dem die Hersteller begannen, einen regelmäßigen Zyklus von Obsoleszenz und Ersatz in den Mittelpunkt ihrer Wachstumsstrategie zu stellen. Im neunzehnten Jahrhundert strebten Unternehmen ihren Erfolg durch die Herstellung langlebiger und reparaturfähiger Produkte an. Das Produktionsdesign spiegelte in der Regel eine Ethik der Verantwortung wider.
In einer Zeit, in der Smartphones innerhalb weniger Monate veraltet sind und Kleidungsstücke nur ein- oder zweimal getragen werden, stehen Verfechter der Reparatur vor großen Herausforderungen.
Diese Ethik leitete Henry Ford bei seinem berühmten Bekenntnis ein Auto herzustellen, das für die breite Masse erschwinglich, langlebig und leicht zu reparieren war. Die Amerikaner reagierten zunächst begeistert; 1920 besaßen 55 Prozent der amerikanischen Familien eine Tin Lizzie. Ford fasste sein Ziel später sozusammen: Er wollte ein Auto bauen, das „so stark und so gut gebaut ist, dass niemand jemals ein zweites kaufen muss.“
Dies schreckte jedoch die Stammkunden ab. Sein Konkurrent Alfred P. Sloan von General Motors erkannte die Chance. Von der Modewelt inspiriert begann er, jedes Jahr neue Automodelle auf den Markt zu bringen, die sich oft nur in Farbe und Styling unterschieden, damit trendbewusste Käufer immer wieder den neuesten Chevrolet kauften. Sloans Mitarbeiter Harley J. Earl sprach offen über ihr Ziel: „Unsere große Aufgabe ist es, die Veralterung zu beschleunigen.“
Der Plan ging auf. Ende der 1930er Jahre hatte GM Ford als größten Autohersteller der Welt überholt. In den folgenden Jahrzehnten lernten die Hersteller einer breiten Palette von Produkten, darunter schließlich auch Ford, die Lektion und setzten auf Obsoleszenz als Schlüssel zum Umsatzwachstum. In den letzten Jahrzehnten hat sich der immer schnellere Austausch von Konsumgütern, so sehr in das tägliche Leben eingebürgert, dass er Teil der natürlichen Ordnung zu sein scheint.
Die riesigen mengen an Abfall, die dabei entstehen, einige davon giftig, sind kaum noch zu übersehen. Sie sind Symptome für das, was Papst Franziskus „Wegwerfkultur“ genannt hat. In Laudato si’, seiner Enzyklika aus dem Jahr 2015, beschränkt Franziskus seine Diskussion über die Wegwerfkultur nicht auf offensichtliche Beispiele wie Elektronikschrott, Einwegverpackungen, Treibhausgase, landwirtschaftliche Abwässer oder die Anhäufung von Plastik in den Ozeanen. Solche Probleme könnten schließlich mit der richtigen Mischung aus politischen Maßnahmen und Technologien im Rahmen des Konsumkapitalismus gelöst werden. Stattdessen wird die Wegwerfbarkeit der Dinge für ihn in einer Art Synekdoche zu einem Symbol für die Wegwerfbarkeit der natürlichen Welt selbst, „unserer gemeinsamen Heimat“, die unsere technologische Gesellschaft in ihrem egoistischen Streben nach Dominanz zerstört. Und es ist auch ein Symbol für die Wegwerfbarkeit der Menschen, insbesondere der „Ausgeschlossenen“ – der Armen, der Menschen mit Behinderungen, der älteren Menschen, der Einwanderer und Flüchtlinge und der Ungeborenen. Um der Wegwerfkultur zu widerstehen, so Franziskus, braucht es mehr als nur Lösungen für die Umweltverschmutzung oder den Klimawandel. Es erfordert eine Revolution gegen eine Moderne, die auf „Beschleunigung“ basiert, angetrieben von finanziellen und politischen Systemen.
Nicht jeder wird von der Analyse des Papstes überzeugt sein. Die Wegwerfkultur für eine so breite Palette von Übeln, von der Lebensmittelverschwendung bis zur Abtreibung, verantwortlich zu machen, kann übertrieben erscheinen. Doch wenn wir den Blick von der modernen Gesellschaft als Ganzes auf das Leben der einzelnen Menschen lenken, wird die Kraft seiner Argumentation deutlicher sichtbar. Seine Einsicht in das Laster, das dem technologischen Kapitalismus zugrunde liegt – das überhebliche Streben nach Herrschaft und Besitz, zum Schaden der geschaffenen Welt und der verletzlichen Mitmenschen – ist in der christlichen Tradition fest verwurzelt. Es ist dasselbe Laster, das Augustinus von Hippo als die menschliche Ursünde bezeichnete: libido dominandi, die Lust an der Herrschaft. Laut Augustinus ist dies die Wurzel, die allen anderen Sünden zugrunde liegt und uns von Gott, der Welt und unseren Mitmenschen entfremdet.
Wenn unsere lebensweise von dieser Lust abhängt, sollte es uns nicht überraschen, wenn sie viele Aspekte unseres Lebens infiziert. Wenn wir Dinge als wegwerfbar behandeln, anstatt sie zu pflegen, kann diese Gewohnheit leicht auf die Art und Weise übergreifen, wie wir die natürliche Welt und andere Menschen behandeln. Genau das sehen wir, wie Franziskus hervorhebt, in Erscheinungsformen, die vom Tagebau auf Berggipfeln und der Abholzung unersetzlicher Lebensräume bis zur Kommerzialisierung von Babys durch genetische Selektion und Leihmutterschaft reichen.
Aber vielleicht können sich gute Gewohnheiten ebenso wie schlechte von einem Lebensbereich zum anderen ausbreiten; vielleicht kann der Wegwerfkultur durch den Aufbau einer Reparaturkultur entgegengewirkt werden. Das ist die Hoffnung, welche die Bewegung für das Recht auf Reparatur antreibt. Sie ist auch die Inspiration für Initiativen wie iFixit, das Ersatzteile, Werkzeuge und Reparaturanleitungen für Konsumgüter bereitstellt, oder das Repair-Café-Netzwerk, das mehr als 2.500 Events auf der ganzen Welt umfasst, die sich dem Reparieren verschrieben haben.
Wenn wir Dinge als wegwerfbar behandeln, anstatt sie zu pflegen, kann diese Gewohnheit leicht auf die Art und Weise übergreifen, wie wir die natürliche Welt und Menschen behandeln.
Als Schuljunge verbrachte ich unzählige Samstagnachmittage in der Werkstatt meines Großvaters Arnold Mommsen. An den Wänden hingen Dutzende von Werkzeugen, und die Regale waren vollgestopft mit diversen Eisenwaren und Ersatzteilen für jedes gängige Gerät. Unter der Werkbank stand eine Phalanx reparierbarer gusseiserner Ventilatoren, die er den Leuten in unserer Gemeinschaft, dem Bruderhof, schenkte, wenn deren nicht reparierbare Plastikventilatoren kaputt gingen. Als Kind war es faszinierend, ihm dabei zuzusehen, wie er ein ramponiertes Radio öffnete und seinen Lötkolben zur Hand nahm.
Das beispiel meines großvaters zeigt, dass die Wegwerfkultur, die Franziskus aufzeigt, nicht unausweichlich ist. Jeder Handwerker weiß das. In der christlichen Geschichte der Welt dreht sich alles um Wiederherstellung. Sie lehrt, dass am Anfang die gesamte Schöpfung, einschließlich der Menschen als Träger des göttlichen Bildes, „sehr gut“ war, wie Gott in Genesis verkündet. Aber durch die Sünde der ersten Menschen – durch ihre libido dominandi, wenn man so will – wurde die Schöpfung „der Vergänglichkeit unterworfen“, wie der Apostel Paulus sagt. Das große Thema des Alten und Neuen Testaments ist Gottes Plan zur Reparatur seines zerstörten Werkes. Wie von den hebräischen Propheten beschrieben, sollte dieser Plan durch die Berufung des Volkes Israel verwirklicht werden und in der Ankunft des Messias gipfeln. Doch als der Messias in der Person von Jesus von Nazareth erschien, war er weit mehr als ein großer Befreier oder Kriegskönig. Er war Gottes einziger Sohn – „ganz Gott von ganz Gott“, wie es im Nizänischen Glaubensbekenntnis heißt –, der menschliche Gestalt und Natur angenommen hatte. Durch sein Leben, seinen Tod und seine Auferstehung vollzog Jesus den entscheidenden Schritt zur Wiederherstellung einer verdorbenen Schöpfung, und er gab sein Wort, zurückzukehren, um sein Werk zu vollenden. Das Christentum setzt solch ein Vertrauen in die kommende Wiederherstellung der Welt, dass es paradoxerweise sogar den Bruch feiert. Der alte Hymnus „Exsultet“ preist etwa den Sündenfall, da er den Weg zum Kommen Christi eröffnet hat:
O wahrhaft heilbringende Sünde des Adam,
du wurdest uns zum Segen,
da Christi Tod dich vernichtet hat!
O glückliche Schuld,
welch großen Erlöser hast du gefunden!
Diese Vorstellung von der „glücklichen Schuld“ (felix culpa) hat die christlichen Denker lange beschäftigt. Er besagt, dass das Böse selbst durch das geheimnisvolle Wirken des göttlichen Willens in der Geschichte eine Erlösungskette in Gang setzen kann, die zu einem größeren Guten führt als zuvor. Aktuell gibt es, wie so oft in den letzten zwei Jahrtausenden, unzählige Gründe, daran zu zweifeln, ob der Glaube an die kosmische Erlösung keine törichte Hoffnung ist – nicht zuletzt, nachdem die Welt Zeuge so vieler Bluttaten im Heiligen Land wurde. Erscheinen Träume von künftigem Trost nach solchen Schrecken nicht billig und unzureichend? Für Christen liegt die Antwort auf solch verständlichen Zweifel in der Person Jesu selbst. Wenn er der ist, der er zu sein behauptet, dann ist die versprochene Heilung der zerbrochenen Welt schon jetzt gesichert, dann wird der letzte Akt der Menschheitsgeschichte und der Geschichte unserer Welt nicht darin bestehen, etwas zu zerstören oder zu entsorgen, sondern es zu reparieren. Das Ergebnis wird ein Endzustand, der nicht nur so gut wie neu ist. Dank Adams „glücklichem Fehler“ wird er sogar besser.