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Ein Schulabschluss für Migranten aus Myanmar
Partners Relief & Development arbeitet daran in Thailand ein neues Bildungsprogramm aufzubauen.
von Rebecca Newton
Dienstag, 10. September 2024
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Vor einem Jahr kam ich mit Partners Relief & Development nach Chiang Mai, Thailand, um bei der Einführung eines GED-Programms (General Educational Diploma, ein Schulabschluss-Diplom) für Migranten aus Myanmar zu helfen. Ich verbrachte die ersten drei Monate damit, Schüler zu rekrutieren und einen Lehrplan zu entwickeln, der die Fächer der amerikanischen GED-Prüfungen abdeckte: Mathematik, Naturwissenschaften, Sozialkunde und Sprachen. Da die GED-Prüfung in den Vereinigten Staaten, Kanada, Australien und vielen asiatischen Ländern anerkannt wird, haben die Schüler damit die Möglichkeit, sich an einer Universität zu bewerben oder eine Ausbildung in einem Berufsfeld zu absolvieren.
Partners Relief & Development hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kindern, die von Konflikten betroffen sind, ein „freies, erfülltes Leben“ zu ermöglichen. Projekte in Myanmar, Thailand und im Nahen Osten helfen den lokalen Gemeinschaften, den Kindern die Sicherheit und die Ressourcen zu geben, die sie brauchen, um zu gedeihen. Hier setzt das GED-Programm an: Meine Schüler träumen davon, später als Lehrer, Ärzte oder Politiker in ihre Dörfer zurückzukehren.
Das Alter der Schüler reicht von 16 bis 32, die meisten sind Anfang zwanzig. Die meisten kommen aus abgelegenen Bauerndörfern. Ihre Eltern kämpfen mit dem Anbau von Feldfrüchten auf schlechtem Boden und können ihre Erzeugnisse aufgrund von Kriegen und sozialer Instabilität oft nicht verkaufen. Mindestens die Hälfte unserer Schüler verließ ihr Zuhause schon früh, um entweder in einer Stadt mit einer Schule oder in einem buddhistischen Kloster als Mönchsnovizen zu leben, weil ihre Eltern fest entschlossen waren, dass ihre Kinder eine bessere Ausbildung erhalten sollten.
Meine Morgenklasse besteht aus zehn Schülern, die meist nachmittags oder abends arbeiten. Zu Beginn sehen wir uns einen kurzen Ausschnitt aus den Weltnachrichten an und besprechen den Zusammenhang mit den Themen, die wir gerade lernen. Dann lernen wir bis zu Mittag.
Unsere Schüler sind es gewohnt, auswendig zu lernen und für Fehler und Fragen bestraft zu werden. Daher war es spannend, sie an kritisches Denken heranzuführen und Fragen als Schlüssel zum Lernen zu betrachten. Viele der von uns behandelten Themen, von Geografie bis zur Genetik, sind für sie völlig neu, und sie sind begierig darauf Neues zu lernen. Als ein fünfundzwanzigjähriger Schüler zum ersten Mal einen Globus sah, sagte er zu mir: „Ich möchte einfach nur hier sitzen und ihn mir die ganze Zeit ansehen.“ Andere Schüler waren erstaunt zu erfahren, dass unser körperliches Aussehen nicht von dem bestimmt wird, was wir in einem früheren Leben getan haben, sondern von den genetischen Informationen, die wir von unseren Eltern erhalten haben. Die Gründungsdokumente Amerikas mit jungen Menschen zu erörtern, die unter einer Militärdiktatur und im Chaos eines Bürgerkriegs aufgewachsen sind, hat mich dazu gebracht, die Ideale, die wir im Westen für selbstverständlich halten, mit anderen Augen zu sehen.
Da das Niveau meiner Schüler sehr unterschiedlich ist, versuche ich viel Gruppenunterricht einzubauen. Oft lernen sie nach dem Unterricht noch einige Stunden zusammen, bevor sie zur Arbeit müssen.
Mittags fahren wir mit unseren Motorrädern zum Markt, kaufen unser Mittagessen und kommen dann zurück, um weiter zu lernen. Auf dem Papier sind die nächsten Stunden meine Vorbereitungszeit, aber meistens nutze ich sie für Einzelunterricht oder um Schüler zu fragen, wie es ihnen geht, und sie bei verschiedenen Herausforderungen zu unterstützen, mit denen sie konfrontiert sind, sei es in oder außerhalb der Schule. Gegen Ende des Nachmittags gönne ich mir eine kurze Pause, denn dreimal pro Woche unterrichte ich am Abend GED-Schüler, die tagsüber auf dem Bau, in Restaurants, Tankstellen oder Fabriken arbeiten, meist sechs oder sogar sieben Tage die Woche.
Wenn ich mich müde fühle, bringt mich der Enthusiasmus der Schüler, sobald sie den Raum betreten, wieder in Schwung. Sie passen aufeinander auf und necken sich gegenseitig wie Geschwister. Da ihre Arbeit sie so sehr in Anspruch nimmt, ist die Schule gleichzeitig Ausbildung und soziales Leben.
Es ist lohnend, Schüler zu unterrichten, die so wissbegierig sind. Ich erhielt Einblicke in ihre Kultur und die unglaublichen Hindernisse, die sie überwinden mussten: Sie verloren ihre Eltern durch Krankheiten, die eigentlich behandelbar gewesen wären; sie erlebten, wie ihre Väter dem Alkoholismus verfallen sind, als sie bei Militärüberfällen alles verloren haben; sie wurden als Sechsjährige von zu Hause weggeschickt, weil ihre Eltern fest entschlossen waren, ihnen eine Ausbildung zu ermöglichen; sie mussten mehrmals Schule wechseln, wenn sich die Fronten im Bürgerkrieg verschoben; sie haben ihre Heimat und ihre Kultur verlassen und kämpften sich als Bürger zweiter Klasse in einem Land mit anderer Sprache und anderen Sitten durch; sie arbeiteten täglich viele Stunden, um nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Familien in Myanmar zu unterstützen.
Auf diesen jungen Menschen lastet eine so große Verantwortung, dass sie viel von dem Spaß, den Freundschaften und den Möglichkeiten verpasst haben, die ich mit meinen Teenagerjahren verbinde. Mit praktischen Experimenten und Projekten, gelegentlichen Ausflügen oder gemeinsamen Kochen und Essen, versuche ich ihnen Gelegenheiten dazu zu geben.
Einer meiner neuen Schüler, ein Sechzehnjähriger, verpasste einige Unterrichtsstunden, weil er Schwierig-keiten hatte, von Myanmar nach Thailand zu reisen. Eines Nachmittags half ich ihm beim Nachlernen. Am Ende fragte ich ihn: „Hast du noch irgendwelche Fragen? Er war still, und ich konnte sehen, wie er nach Worten suchte, um seine Gedanken zu formulieren. Dann fragte er mich: „Wie können wir unsere Kindern so erziehen, dass sie zu besseren Menschen werden?“
Überrascht erwiderte ich, dass dies eine wichtige Frage sei und meiner Meinung nach der beste Weg darin bestehe, mit gutem Beispiel voranzugehen, Mitgefühl zu zeigen und anderen beizubringen, selbst zu denken (was in der Diktatur seines Heimatlandes nicht möglich ist). Ich fragte: „Willst du Lehrer werden?“ Er antwortete: „Ich möchte Lehrer und Politiker werden, denn es gibt so viele Dinge, die in unserem Land nicht gut sind, und ich möchte meinem Volk helfen.“
Dies sind die Visionäre, die ich begleiten darf, während sie studieren und arbeiten und auf eine bessere Zukunft für ihr Volk hoffen.
Mein Name ist Sai Saw. Ich wurde in einem kleinen Dorf im Shan-Staat geboren. Wir sind sechs Personen in meiner Familie. Meine Eltern sind Bauern. Wir lebten in einem kleinen Bambushaus. In meinem Dorf gab es keine Krankenhäuser oder Schulen und keinen Strom. Als ich jung war, konnte ich nicht, zur Schule zu gehen, denn sie war sehr weit entfernt, und man musste man viel Geld dafür bezahlen. Eines Tages, als ich wie jeden Tag die Büffel auf dem Acker fütterte, sagte meine Mutter zu mir: „Wenn du Lesen und Schreiben lernen willst, bringe ich dich in den Tempel. Fünf Tage später brachte sie mich zu dem Tempel in der Nähe unseres Dorfes. Ich lebte dort fast zehn Jahre lang.
Eines Morgens kamen burmesische Soldaten in mein Dorf. Sie töteten unsere Büffel und brannten unser Haus nieder. Die Situation war sehr schlimm, also schickte mich meine Mutter zu meinem Bruder nach Thailand. Dort arbeitete ich an einer Tankstelle. Nach zwei Jahren wurde ich Fabrikarbeiter. Tagsüber arbeitete ich, und abends kam ich zum Unterricht an die SEED-Schule, aber das war sehr schwierig für mich, weil ich in der Vergangenheit nie zur Schule gegangen war. Ich bin sehr froh, dass ich die SEED-Schule gefunden habe.
Ich wollte an dem GED-Programm teil-nehmen, weil ich mein Englisch verbessern möchte. Außerdem möchte ich neue Leute treffen und neue Ideen kennen lernen. Wenn ich meine Ausbildung abgeschlossen habe, möchte ich das Wissen, das ich an der Universität erworben habe, mitnehmen und zurückgehen, um die Kinder in meinem Dorf zu unterrichten. Ich hoffe, dass ich das tun kann.
Mein Name ist Nan Hla. Ich bin 17 Jahre alt und wurde in Tachileik geboren. Als ich fünf Jahre alt war, zog ich in das Dorf Hekel in Myanmar. Ich besuchte die Schule bis zur siebten Klasse. 2018 kam ich nach Thailand, weil meine Mutter und Großmutter Probleme hatten. Ich wollte nicht nach Thailand, weil ich wusste, dass ich arbei-ten müsste. Ich wollte weiter studieren, also sagte meine Mutter, dass sie mich in Thailand studieren lassen würde, und sie brachte mich mit.
Als ich ankam, habe ich nicht wirklich studiert, weil meine Familie nicht genug Geld hatte. Deshalb muss ich arbeiten. Im Jahr 2022 empfahl mir ein Freund die SEED-Schule. Ich bewarb mich, um Englisch und Chinesisch zu lernen. Ich arbeite tagsüber und gehe abends zur Schule. Ich lerne abends, weil ich an die Universität gehen möchte. Ich denke, das ist gut für mich, weil ich studieren kann, während ich arbei-te. Außerdem kann ich so meinen Traum verwirklichen.
Mein Name ist Sai Seng Li. Ich bin sechzehn Jahre alt. Ich bin in Myanmar in Namlan, einem kleinen Dorf weit weg von der Stadt, aufgewachsen. Meine Familie besteht aus meinen Eltern und Großeltern, und zwei Geschwistern. Meine Eltern sind Bauern.
Mit fünf Jahren habe ich meine Ausbildung in meinem Dorf begonnen. Mit neun Jahren zog ich in eine Stadt, um dort die Schule bis zur siebten Klasse zu besuchen. Zu dieser Zeit war Covid, so dass die Schule nicht geöffnet wurde.
Mit vierzehn Jahren entschloss ich mich, die ethnische Schule zu besuchen, musste aber die siebte Klasse wiederholen. Mein Lehrer, meine Freunde und ich konnten jedoch nicht lange an einem Ort leben. Wegen der Konflikte zwischen verschiedenen Soldatengruppen mussten wir oft an einen neuen Ort ziehen, wo es friedlich und sicher war. Ich habe diese Schule drei Jahre lang an vier verschiedenen Orten besucht.
Mein Traum ist es, Lehrer zu werden. In meinem Land gibt es nicht genug Lehrer. Deshalb bin ich jetzt in Chiang Mai und studiere an der SEED-Schule. Die Teilnahme an der GED wird mir helfen, mein Ziel zu erreichen und meine Fähigkeiten für die Zukunft zu verbessern. Wenn ich nicht die Lehrer getroffen hätte, die mir geholfen haben, würde ich diesen Tag nicht erleben.
Weitere Informatinen über Partners Relief & Development finden Sie unter www.partners.ngo.