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Wunderbare Motten
Prachtvoll und fragil zeigen Motten den Reichtum und die Verletzlichkeit der Natur auf.
von Caroline Moore
Donnerstag, 19. September 2024
Verfügbare Sprachen: English
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Schon als kleines Kindinteressierte ich mich für Motten. Als ich vor 26 Jahren die alte Mottenfalle meines Großvaters erbte, begann ich mit der Erfassung der Motten in meinem Garten in Sussex, England. Bis heute habe ich 903 verschiedene Arten gefunden. Davon gelten 75 als selten, und zwölf stehen auf der Liste der bedrohten und gefährdeten Arten oder sind Anwärter dafür.
Trotz ihres Alters ist meine Robinson-Falle vielleicht immer noch das beste Modell auf dem Markt. Die Motten werden vom Licht der Lampe angelockt und fallen durch einen Trichter in eine darunter liegende Metalltrommel. Eierkartons in der Trommel bieten schützende, schattige Höhlen, in denen die Falter sich verbergen können. Frühmorgens hebe ich ganz vorsichtig den Deckel an, um die schillernden Schätze darin zu inspizieren. Nach einer guten Nacht, in der es warm und feucht war, kleben über hundert verschiedene Arten an den Kartons, die ich herausnehme, bestimme, zähle und, wenn sie selten sind, fotografiere. Die Falter lasse ich dann in der Regel unversehrt wieder frei.
Mein Hobby – vielleicht wäre Besessenheit ein besseres Wort – macht jeden Morgen für mich aufregend. Die Spannung ist so intensiv wie vor den Weihnachtsfesten meiner Kindheit: Ich weiß nie, was in der Falle sein wird. Und wenn ich die Motten betrachte, erfüllt mich kindliches Staunen.
Die Schönheit der Motten macht ihre Erforschung ästhetisch lohnend, ihre schiere Vielfalt jedoch macht sie auch ökologisch bedeutsam. Auf den britischen Inseln gibt es etwa 2.500 Mottenarten. Zum Vergleich: Es gibt nur 57 Schmetterlingsarten – 59, wenn man die regelmäßig einwandernden Distelfalter und Gelbwangenspanner mitzählt. Schmetterlinge und Motten gehören zur gleichen Insektenordnung, den Lepidoptera1. Schmetterlinge sind jedoch ein kleinerer Zweig, die überwiegende Mehrheit der Lepidoptera auf der Welt sind Motten.
Lepidoptera bedeutet Schuppenflügler; jeder Mottenflügel ist mit einem Mosaik aus mikroskopisch kleinen Schuppen gemustert, die so fein und zerbrechlich sind wie Staub. Jede winzige Schuppe ist pigmentiert, und ihre Struktur reflektiert und bricht das Licht, so dass ein irisierender Schimmer zusätzlicher Farben, wie Öl auf Wasser, entsteht – schillernde Blau-, Gold- und Silbertöne. Selbst die Flügel des unscheinbarsten frisch geschlüpften Nachtfalters haben den Glanz von Seide. Schon der Name des Merveille du jour (Tagwunder) deutet auf seine flüchtige Schönheit hin, die mit pfefferminzgrünen, silbernen und schwarzen Schuppen gemustert ist. Aber auch weniger auffällige Falter sind von außerordentlich subtiler Schönheit. Die Flügel des Ockergelben Blattspanners zum Beispiel sind mit zahlreichen zarten braune Wellenlinien überzogen.
Je genauer man eine Naturschönheit betrachtet, desto mehr erkennt man die verborgene Exzellenz darin. Dies gilt insbesondere für die so genannten Mikromotten – die für gewöhnlich kleineren und taxonomisch primitiveren Arten, die den größten Teil der Mottenpopulation ausmachen. Es gibt etwa 900 Arten britischer Makromotten. Das sind die Familien der größeren Motten, die in einem Standard-Feldführer zu finden sind. Die größten von ihnen sind die Schwärmer, wie der Ligusterschwärmer, der silbrig-graue, etwa fünf Zentimeter breite Flügel hat und dessen Hinterleib und Unterflügel schwarz und rosa gestreift sind. Eine andere rosa gefärbte Motte, das Marmorierte Gebüscheulchen, gehört zu den kleinsten Makromotten mit einem Vorderflügel von knapp einem Zentimeter.
Mottenliebhaber beschäftigen sich zu Beginn meist mit den auffälligen Makrofalterarten und werden erst dann zu den Mikrofalterarten gelockt. Unter den „Mikros“ findet man die erstaunlichste Vielfalt an Formen und Lebensweisen, da sie aufgrund ihrer geringeren Größe eine größere Bandbreite an Nischen als Lebensraum nutzen können. Ein, zwei Familien von Mikromotten stellen das Äquivalent zu dem „kleinen braunen Vogel“ der Ornithologen dar: Unter den 109 Arten der Familie der Coleophoridae kann ich nur einige der auffälligsten identifizieren. Arten, die nicht anhand äußerer Merkmale identifiziert werden können, lassen sich durch Untersuchung der Genitalien bestimmen. Die Genitalien von Männchen und Weibchen jeder einzelnen Mottenart haben sich so entwickelt, dass sie wie Schlüssel in Schlösser passen; dadurch wird die Hybridisierung zwischen den Arten verhindert.
Eine hochwertige Foto-Nahaufnahme hilft sehr bei der Identifizierung. Diagnostische Merkmale wie Flügelmuster, Lippentaster oder Sporen an den Beinen können vergrößert werden. Gute Fotos offenbaren auch die außergewöhnliche Schönheit vieler dieser Miniaturtiere. Einer meiner Lieblinge ist die winzige und seltene Bisigna procerella, ein regelmäßiger Gast in meiner Falle: Sie ist kupferfarben, mit schwarzen und silberfarbigen Streifen, und ihr Vorderflügel ist nur etwa sieben Millimeter lang. Viele Mikromotten scheinen auf den ersten Blick einfach klein und braun zu sein. Aber aus der Nähe betrachtet glitzern sie, als wären sie mit Metallfäden durchwebt oder sind gemustert wie ein winziger Perserteppich.
Die enorme Vielfalt an Größe, Form und Flügelmustern macht Motten zu einer nützlichen Quelle für ökologische Daten. Sie sind für Ökologen wertvoller als Vögel, weil es viel mehr Arten gibt und sie weithin als wichtige Indikatoren für die biologische Vielfalt anerkannt sind.
Das liegt zum Teil an ihrer Stellung in der Nahrungskette. Mottenlarven ernähren sich von einer Vielzahl von Pflanzen: Einige sind Generalisten und ihre sehr hungrigen Raupen fressen viele Arten von Blättern; andere sind Spezialisten, was ihnen nicht immer zum Vorteil gereicht (der seltene Weiße Fleck zum Beispiel frisst nur eine bestimmte Nelkenart). Einige Mikromottenlarven ernähren sich von Pilzen, Algen, Moosen oder Flechten, andere von verrottendem pflanzlichen oder tierischen Material. Ein Cousin der Kleidermotte ernährt sich von schimmeligen Korken in Weinkellern; einen anderen findet man in Fuchskot (diese Motte ist in meinem Garten furchtbar häufig). Es gibt sogar eine Motte, die Wachsmotte, deren Larven Plastiktüten fressen und verdauen können, obwohl ihre bevorzugte Nahrung das Wachs von Honigwaben ist.
Ein breites Spektrum an Motten weist somit auf ein breites Spektrum an Pflanzen hin, zu deren Bestäubung sie beitragen, und auf eine große Vielfalt an Habitaten. Motten und ihre Larven fressen nicht nur, sie werden auch gefressen. Sie sind wichtige Nahrung für Vögel, Fledermäuse, Igel, Frösche, Eidechsen und Insekten wie Spinnen, Wespen, Hornissen und Käfer. Auf dem Höhepunkt ihrer Brutzeit füttern die Kohlmeisen und Blaumeisen in England täglich schätzungsweise zwei Milliarden Raupen an ihre Jungen. Und diese geplagten Eltern müssen selbst auch essen.
Ihre Empfindlichkeit macht Motten für Ökologen als Indikatoren für den Zustand unserer Ökosysteme besonders wertvoll. Sie sind, wie Kanarienvögel in einem Bergwerk, die ersten, die leiden. Motten sind besonders anfällig für Verschmutzungen aller Art: Wasserverschmutzung, Luftverschmutzung, chemische Verschmutzung und Lichtverschmutzung.
Über letztere wird am wenigsten geschrieben, aber sie ist diejenige, bei der der Einzelne am meisten bewirken kann. Die Lichtverschmutzung bringt die natürlichen Rhythmen der Tierwelt durcheinander und stört die Muster von Wanderung, Fütterung und Fortpflanzung. Das Problem der Straßenbeleuchtung, der Sicherheitsbeleuchtung im Freien und der Flutlichter wurde paradoxerweise durch halbherzige Versuche, umweltfreundlich zu sein, noch verschlimmert. Da LED-Leuchten weniger Energie verbrauchen, werden sie nun bevorzugt. LED-Leuchten strahlen jedoch im Allgemeinen ein blaues Spektrum aus, das für Motten attraktiver ist. Wirklich energieeffizient wäre es, Außenbeleuchtungen auszuschalten oder zumindest bewegungsgesteuert zu machen.
Die Wasserverschmutzung beeinträchtigt die Motten, die an unseren Flüssen und Bächen leben. Es gibt Arten, deren Larven unter der Wasser-oberfläche in Teichen, Sümpfen und langsam fließenden Flüssen leben. Die Larven der Familie der Dickmaulrüssler zum Beispiel ernähren sich von Wasserpflanzen und bauen Unterwasserkästen aus Blattfragmenten.
Auch die Luftverschmutzung hat verheerende Auswirkungen auf die Mottenvielfalt. Viele Motten ernähren sich von Flechten, die sehr unter der Luftverschmutzung leiden. Eine Flechte besteht aus einem Pilz, der in Symbiose mit Grünalgen oder Cyanobakterien zusammenlebt, welche Zucker mittels Fotosynthese produzieren, was ihr Pilzwirt nicht kann. Diese Mischorganismen haben jedoch weder Wurzeln noch eine schützende Haut und nehmen Feuchtigkeit und Luft direkt über ihre Oberfläche auf, was sie sehr empfindlich gegenüber Luftverschmutzung macht. Schwefeldioxid, das bei der Verbrennung von Kohle entsteht und Stickstoffdioxid aus Autoabgasen und landwirtschaftlichen Düngemitteln lösen sich im Wasser und erzeugen sauren Regen.
Man hört viel über den ökologischen Untergang. Ich möchte hingegen ein wenig Hoffnung machen. Heutzutage lesen wir kaum noch über sauren Regen. Der Grund dafür ist einfach: Unsere Luft ist sauberer als früher. Die positiven Auswirkungen der britischen Umweltschutz-Gesetze auf die Luftverschmutzung sind auch an der Mottenpopulation abzulesen.
Die meisten flechtenfressenden Motten sind Mikrofalter, die nur von seltsamen Menschen, wie ich es bin, erfasst werden. Die Geschicke der auffälligen Familie der Grauleib-Flechtenbärchen können jedoch auch von Amateuraufzeichnern leicht verfolgt werden, mit äußerst erfreulichen Ergebnissen: Eine 2019 veröffentlichte Studie ergab, dass die Population des Grauleib-Flechtenbärchens in den letzten 35 Jahren um 40 Prozent zugenommen hat. Das ist jedoch nichts im Vergleich zum Nadelwald-Flechtenbärchen, das im gleichen Zeitraum um 815 Prozent zugenommen hat – es war in Sussex fast ausgestorben. Das Gelbleib-Flechtenbärchen, das wie eine zusammengerollte Version des Grauleib-Flechtenbärchens aussieht, verzeichnete den erstaunlichsten Anstieg von allen. Die Population stieg um 2.035 Prozent – es ist also gar nicht mehr so selten!
Die chemische Verschmutzung ist nach wie vor die Hauptursache für den Tod der Motten – aber das Bewusstsein für die Gefahren, die der wahllose Einsatz von Pestiziden, Herbiziden und Fungiziden für die menschliche Gesundheit mit sich bringt, hat zugenommen, und es gibt immer mehr Bemühungen, mit der Natur statt gegen sie zu wirtschaften, auch wenn der Weg noch weit ist.
Die Urbanisierung nimmt jedoch weiter zu, Lebensräume werden unwiderruflich zerstört, und viele Insektenpopulationen gehen rapide zurück. Die verbleibenden artenreichen Lebensräume sind zunehmend lückenhaft, und ihre Populationen sind entsprechend gefährdet, da sie auf kleinen und isolierten Inseln in einem Meer ökologischer Trostlosigkeit leben.
Manchmal werde ich gefragt, wie ich es geschafft habe, so viele Motten in meinem eigenen Garten zu finden. Dies liegt an der fruchtbaren Landschaft, die meinen Garten umgibt. Das Licht aus meiner Falle scheint auf das Dudwell-Tal, eine klassische Mosaiklandschaft – ein Flicken-teppich aus kleinen Feldern, die zum Glück nicht intensiv bewirtschaftet werden, mit alten Hecken, Wäldern, sumpfigen Auen und Tümpeln. Diese Landschaft ist reich an Heterogenität, ein Mix aus interagierenden Lebensräumen. Die Bedeutung dieser Mosaiklandschaften wird oft übersehen, wenn es darum geht, spezifische Arten gefährdeter Lebensräume zu retten – Röhrichte, Wälder oder Moore.
Ein entscheidender Faktor für Biodiversität ist nicht nur die Vielfalt der Habitate, sondern auch ihre Vernetzung: Selbst kleine Populationen sind widerstandsfähiger, wenn Bewegungen zwischen ihnen möglich sind. Ich habe hier Glück, denn der Fluss Dudwell ist ein hervorragender Korridor für die Tierwelt. Seltene Falter, die nur an Kiesstränden brüten, finden dank des Flusses regelmäßig ihren Weg in mein Tal. Ich beobachte auch eine Reihe von Zugvögeln. Ständig siedeln sich neue Arten an. Die Lepidopterologen gehören wohl zu den wenigen, die sowohl Einwanderer als auch deren Ansiedlung feiern.
Da ich in einem alten Pfarrhaus wohne, denke ich manchmal an die Kirchenmänner, von denen ich annehme, dass sie einigen der Motten, die mir in die Falle gehen, ihren Namen gegeben haben: Hebrew Character-, Quaker-, Conformist-, Nonconformist- und Seraphim-Moths … Die Bibel hat kein gutes Wort für Motten übrig. Aber sicherlich haben diese Männer Gottes das Wunder der Schöpfung in ihrer Jagd nach Lepidoptera gefunden, genau wie ich.
Fußnoten
- Im Deutschen bezeichnet „Schmetterling“ alle Tag- und Nachtfalter. Die umgangssprachliche Unterscheidung in Schmetterling (Tag) und Motte (Nacht) ist nicht korrekt, wurde aber zur besseren Verständlichkeit beibehalten.