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Ein ungewöhnliches Projekt in London sammelt berührende Zeugnisse über Vergebung.
von Marina Cantacuzino
Dienstag, 17. Dezember 2024
Verfügbare Sprachen: English
Dieses Jahr markiert das zwanzigjährige Bestehen von The Forgiveness Project. Ironischerweise ist diese auf Mitgefühl, Empathie und Vergebung basierende Stiftung aus Ärger heraus entstanden. Im Februar 2003 protestierte ich auf einem Friedensmarsch in London gegen die drohende Invasion des Iraks, überzeugt, dass ein harter Kurs nur zu mehr Vergeltung und Widerstand führt. Mich entsetzte die polarisierende Sprache und die Haltung: „Bist du nicht für uns, bist du gegen uns.“ Daher begann ich als Journalistin, Geschichten zu sammeln, die einen Kontrapunkt setzten, eine bewusste Alternative zu den weit verbreiteten Narrativen der Dämonisierung und des Hasses.
Diese Geschichten, sowohl von Opfern als auch von Tätern, wurden zur Ausstellung *The F Word* – ein Projekt von Menschen, die sich mit ihrem Schmerz versöhnt haben, indem sie einen Schlussstrich unter das Dogma der Rache gezogen haben. Sie zeigten, wie Menschen friedliche Lösungen für Konflikte suchten und in ihrem Leiden einen Sinn fanden. Einer der Erzähler, ein ehemaliges Gangmitglied aus Los Angeles, dessen Sohn bei Gewaltausschreitungen Jugendlicher ums Leben kam, sagte: „Wo die Wunden sind, liegt das Geschenk.“
Ich nannte diese Zeugnisse „restorative narratives“, heilende Erzählungen, da sie ein tiefes Bedürfnis in der Gesellschaft ansprachen, Hoffnung in verzweifelten Situationen zu finden. Der erstaunliche Erfolg der Ausstellung führte mich dazu, The Forgiveness Project zu gründen – eine Organisation, die persönliche Geschichten sammelt und teilt, um zu zeigen, wie Menschen und Gruppen Schmerz überwinden, über Gräben hinweg aufeinander zugehen und Menschlichkeit in anderen finden können.
In den letzten 20 Jahren haben wir mit Erzählern weltweit gearbeitet – in unseren Programmen für Gefängnisse, Schulen, Ausstellungen, Seminaren und Kursen. Wir haben unsere Arbeit in den Medien, in der Forschung, in Kunstprojekten, Podcasts und Büchern vorgestellt. Wir setzen diese Arbeit fort, weil unzählige Menschen berichtet haben, dass unser Projekt ihnen geholfen hat, ihr Leben besser zu verstehen, sich nach Entfremdung wieder zu versöhnen oder das Leid in der Welt neu zu sehen.
Wir versuchen nicht, Menschen zu überzeugen, dass sie vergeben müssen, um sich aus den Fängen des Hasses zu befreien. Vielmehr zeigen wir Alternativen zum Kreislauf der Rache. Vergebung kann in manchen Situationen teuer, unpassend oder unangemessen sein. Wie Julie Nicholson, deren Tochter bei den Anschlägen vom 7. Juli 2005 in London getötet wurde, sagt: „Das Thema Vergebung ist wie ein großes Spektrum. An einem Ende gibt es einen Streit auf dem Schulhof, am anderen Massenmord, und doch soll dieses eine Wort auf alles passen.“
Meine Lieblingsbeschreibung von Vergebung stammt vom amerikanischen Autor Mark Twain: „Vergebung ist der Duft, den das Veilchen an die Ferse abgibt, die es zerdrückt hat.“ Vergebung ist kompliziert. Sie wächst aus Schaden, ist aber auch ein heilender Balsam. Ich habe gelernt, dass der Drang zu vergeben flexibel und wandelbar ist, kein Einheitsmodell und keine einzige großmütige Geste als Reaktion auf einen isolierten Vorfall. Vielmehr ist sie fließend und veränderlich, so wie die Definitionen, die versuchen, sie zu beschreiben.
Heute, inmitten des Israel-Palästina-Konflikts, mit einer Stimmung aus Schuldzuweisungen und konkurrierenden Narrativen, scheint Vergebung als Werkzeug für Heilung schwer vorstellbar. Doch ich verspüre erneut das dringende Bedürfnis, die Kraft des Geschichtenerzählens zu nutzen, da ich weiß, wie Geschichten, die Mitgefühl und Verbundenheit fördern, Denkweisen ändern und uns neue Perspektiven eröffnen können.
Aus den heilenden Erzählungen, die The Forgiveness Project über viele Jahre gesammelt hat, gibt es eine entscheidende Zutat für Vergebung, die in diesem Klima nützlich sein könnte: Neugier. Natürlich ist es schwer, neugierig auf den eigenen Feind zu sein, wenn man sich bedroht fühlt. Aber bei einer Veranstaltung in London im letzten Dezember ermutigte Robi Damelin, eine trauernde Mutter der israelisch-palästinensischen Gruppe Parents Circle Families Forum, das Publikum, nicht star auf der eigenen Meinung zu beharren, sondern stattdessen die Geschichte eines einzelnen Palästinensers im belagerten Gazastreifen oder die eines israelischen Geiselopfers zu erkunden. In einer Welt, in der Außenstehende oft schnell Partei ergreifen, rief sie uns dazu auf, das Gegenüber zu rehumanisieren, indem wir offen für andere Perspektiven bleiben. Das bedeutet, dass wir, obwohl wir Wut und Schmerz spüren, lernen, aus Mitgefühl statt aus Wut zu reagieren.
Diese Neugier, diese Empathie, fördert eine vergebende Denkweise, die akzeptiert, dass Menschen nicht einfach schlecht sind oder falsch liegen, nur weil ihre Ansichten unseren diametral entgegenstehen. Es erfordert, sich vorzustellen, wie es ist, jemand anderes zu sein – was nie leicht ist. Wie Plato vor fast zweieinhalb Jahrtausenden schloss: „Die höchste Form des Wissens ist Empathie, denn sie erfordert, dass wir unser Ego zurückstellen und in der Welt eines anderen leben.“