My Account Sign Out
My Account
    View Cart

    Subtotal: $

    Checkout
    41ThonhauserHero

    Zuflucht in den Höhen

    Mit einer 90-Jahr Feier erinnert der Bruderhof an die Flucht nach Liechtenstein.

    von Katharina Thonhauser

    Dienstag, 17. Dezember 2024
    0 Kommentare
    0 Kommentare
    0 Kommentare
      Abschicken

    Unweit der Stadt Vaduz, direkt unter den schneebedeckten Bergspitzen auf einer grünen Alm gelegen, befindet sich der Ort Silum. Von hier überblickt man das kleine Fürstentum Liechtenstein, eingebettet inmitten der hohen Alpenzüge zwischen Österreich und der Schweiz. Heute ist es ein Ort der Stille, des Erhoben- und Erhabenseins, der Entrückung aus dem Stress des modernen Alltags. Hier kann man Luft holen, nachsinnen über das Leben, den Sinn, die Zukunft und das Vergangene. Hier kann man seinen Körper kurieren, von der Schwere des Seins, den Wehwehchen des Alterns und Reifens. Es ist aber auch ein Platz der Schutz bietet vor den Gefahren des Tals, der Städte, der Geschäftigkeit, der politischen Strömungen. Kurz, ein Ort der Zuflucht.

    Genau zu dem wurde dieser Ort für die Bruderhof-Gemeinde vor 90 Jahren. Als „göttliche Fügung“ bezeichnete etwa Prinz Nikolaus von und zu Liechtenstein während der Jubiläumsfeierlichkeiten im September 2024 den Umstand, dass Eberhard Arnold mit seiner Frau Emmy in das kleine Land im Herzen Europa reiste, um nach einem sicheren Hafen für seine erst kürzlich gegründete Gemeinde zu suchen.

    View of the Alps

    Gedenkfeier in Silum. All Fotos von Robert Zumpe. Verwendet mit Genehmigung.

    In Europa und vor allem in Deutschland standen alle Zeichen auf Sturm. Das Ursprungsland des Bruderhofs war nicht mehr sicher für die mehr als 100 Mitglieder. 1920 vom protestantischen Theologen Arnold im ländlichen Dorf Sannerz nach dem Vorbild der urchristlichen Gemeinde in Jerusalem gegründet, wuchs die Gemeinschaft schnell. Man zog in die Rhön, lebte von der Landwirtschaft, gründete eine Schule und einen Verlag, der christliche Schriften publizierte. 1933 drehte der Wind. Adolf Hitler kam in Deutschland an die Macht und schon mit Jahresende musste die Schule wieder schließen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war klar, dass der pazifistische Bruderhof das Dritte Reich nicht überleben würde, zumindest nicht in Deutschland.

    Eberhard Arnold war mit der Geschichte der Täufer aus dem 16. Jahrhundert vertraut, die durch die liechtensteinischen Herren in Mähren Zuflucht gefunden hatten. So fiel ihm das Fürstentum Liechtenstein ein, und er reiste mit seiner Frau dorthin. Sie hatten weder die Zeit noch das Geld, um wählerisch zu sein. Das Kurhaus Silum stand zur Miete frei und sie leisteten sofort eine Anzahlung.

    Memorial

    Gedenkstein.

    Zuerst wurden die Familien mit Kindern auf diesen Almbruderhof gebracht. Viele weitere Mitglieder folgten binnen weniger Monate. Zwar war die Landschaft gleichsam bezaubernd wie beeindruckend, doch die Umstände, in denen die Gemeinde auf dieser Anhöhe überleben musste, waren hart. Man konnte nur wenig anbauen und hielt sich dank des Verkaufs von Büchern und Handwerksartikeln über Wasser. Vier Jahre lang blieb die Gemeinschaft in Liechtenstein. Aber mit der zunehmenden Erstarkung des Nationalsozialismus in Deutschland und dann auch in Österreich, konnte die Sicherheit der Mitglieder immer weniger garantiert werden. 1938 verließ die Gemeinschaft endgültig die Alm. Es sollten Jahrzehnte vergehen, bevor der Bruderhof in deutsche Lande zurückkehren würde. Die vier Jahre in Silum blieben der Gemeinde jedenfalls unvergessen.

    Während der Gedenkfeier wurde vor allem daran immer wieder erinnert. Mit großer Dankbarkeit entsinnt man sich der Zeit in Liechtenstein, die zum Rettungsanker in einer stürmischen Epoche wurde. Viele Bruderhof Mitglieder kamen zur Veranstaltung am 7. September 2024 in Silum. Gemeinsam mit Ehrengästen wie etwa Prinz Nikolaus enthüllte Bruderhof Österreich Pastor Andi Zimmerman einen Stein des Erinnerns: „Mit grosser Dankbarkeit widmet die heute noch existierende internationale Bruderhof-Gemeinschaft diesen Gedenkstein allen Bürgern Liechtensteins, besonders denen aus Silum und Triesenberg“, so der Text auf der Gedenktafel.

    People by memorial

    Enkel und Urenkel von Mitgliedern, die in den 30er Jahren in Silum lebten.

    Fünfundzwanzig Bruderhof-Jugendliche, deren Groß- oder Urgroßeltern in den 1930er Jahren auf dem Almbruderhof in Silum lebten, entfernten feierlich das Tuch, mit dem der Stein verdeckt war. Danach beteten die Anwesenden gemeinsam, angeleitet durch katholische Priester und protestantische Pastoren. Es folgten die Aufführung eines neuen, extra für diesen Anlass geschriebenen Liedes und das gemeinsame Singen ökumenischer Hymnen.

    Die Gäste fuhren dann die gewundene Straße hinunter nach Triesenberg und versammelten sich in dem großen Sankt Theodul Saal. Videogrußworte vom leitenden Pastor des Bruderhofs, J. Heinrich Arnold aus New York und von Christoph Kardinal Schönborn, dem Erzbischof von Wien, eröffneten diesen zweiten Teil der Feier. Während Arnold vor allem seiner Dankbarkeit gegenüber den Liechtensteinern Ausdruck verlieh, erzählte der Wiener Kardinal, wie sehr er die Bruderhof Gemeinde schätze, die erst kürzlich wieder in Österreich Fuß gefasst hätte. Außerdem lerne er sehr viel von ihren Mitgliedern, besonders was es heiße heute Christ zu sein.

    Bruderhof im Silum

    Prinz Nikolaus von und zu Liechtenstein. 

    Danach bat man sechs Referenten zu einer Podiumsdiskussion zum zentralen Thema des Tages: „Denn ich war ein Fremder bei euch, und ihr habt mich aufgenommen" (Mat 25,35). Kim Comer moderierte die Beiträge von Dekan Paul Riedmann (Dekan und Ökumene-Beauftragter, Diözese Feldkirch), Max Eugster (Theologe, Hutterer Arbeitskreis Tirol-Südtirol), Dr. Thomas Nauerth (Theologe und Professor, Universität Osnabrück), Hubert Sele (ehemaliger Gemeindevorsteher Triesenbergs; Historiker), Marianne Wright (Redakteurin, Plough Publishing; Bruderhof Mitglied), Reinhard Kummer (Mitglied des Vorstandes der Mennonitschen Freikirchen Österreichs).

    Gegen Ende der Diskussion grüßte auch der derzeitige Vorsteher von Triesenberg, Christoph Beck, die Gäste.

    People sitting

    Podiumsgespräch. Foto Podiumsgespräch: Andrew Zimmerman. Verwendet mit Genehmigung.

    Eine wichtige Gedenkfeier, nicht nur für die Gemeinde des Bruderhofs sondern auch für Liechtenstein und seine umliegenden Nachbarländer. Niemals sollte man vergessen, welche Schrecken manche Minderheiten in den Vorkriegsjahren durchleiden mussten. Daran erinnerte auch Prinz Nikolaus in seiner Rede auf der Alm von Silum und freute sich ob der Tatsache, dass trotz aller widriger Umstände, der kleinen Bruderhof Gemeinde Zuflucht im Fürstentum gewährt wurde. Dafür fand der Prinz treffende Worte. Die Entscheidung, den Flüchtlingen beizustehen und sie aufzunehmen war vor allem eines: eine „Bereicherung für Liechtenstein“. 

    People in Silum

    Verschiedene Teilnehmer der Veranstaltung. 

    Von Katharina Thonhauser Katharina Thonhauser

    Katharina Thonhauser studierte Lebensmittel- und Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur in Wien.

    Mehr lesen
    0 Kommentare