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    Die anonyme Theologin

    Die mysteriöse Brieffreundin C. S. Lewis’, war wohl eine der wichtigsten Denkerinnen ihrer Zeit; jedoch kaum bekannt.

    von Grace Hamman

    Dienstag, 1. April 2025

    Verfügbare Sprachen: español, English

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    Auf meinem schreibtisch stapeln sich Taschenbücher über praktische Theologie mit unattraktiven Einbänden und edel gebundene Übersetzungen berühmter mittelalterlicher Theologen. Alles Werke derselben Person, die das Pseudonym „Ordensfrau der CSMV“ benutzt. Ich habe diese Sammlung aus dem Internet, von Antiquariaten und aus dem Nachlass eines Landpfarrers zusammengetragen. Keines der Originalwerke und nur wenige der Übersetzungen sind noch in Druck.

    Von den 1930er bis zu den 1970er Jahren übersetzte die „Ordensfrau der CSMV“ mehr als 25 Werke der klassischen Theologie. Dabei spezialisierte sie sich auf Mönchsfiguren aus dem Mittelalter. Sie schrieb mehr als 50 Rezensionen über verschiedene Publikationen, im Gespräch mit Karl Rahner, Étienne Gilson, Joseph Ratzinger und vielen anderen. Sie verfasste Gedichte und Theaterstücke. Und sie schrieb über 30 eigene Bücher und Pamphlete. Sie war auch – und dafür ist sie wohl am bekanntesten – eine der wichtigsten Brieffreunde von C. S. Lewis.

    Sister Penelope

    Stephen Zhang, Sister Penelope, Aquarell auf Papier, 2024. Verwendet mit Genehmigung.

    Im Jahr 1944 erschien eine neue Übersetzung von De Incarnatione Verbi Dei des Hl. Athanasius. Sie enthielt eine wunderbare Einleitung von Lewis selbst, Über das Lesen alter Bücher. „Das einzige Linderungsmittel“ gegen die Blindheit der eigenen Zeit – unabhängig davon, in welcher Zeit wir uns befinden – „ist, die frische Meeresbrise der Jahrhunderte durch unseren Geist wehen zu lassen, und das kann nur durch das Lesen alter Bücher geschehen“, sagt Lewis. Die Brise des Hl. Athanasius wurde von keinem Geringeren übersetzt als der „Ordensfrau der CSMV“ – Schwester Penelope.

    Sie bevorzugte eine andere Metapher: man sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht. Zu den Bäumen unseres heutigen Christentums gehören für Schwester Penelope unsere Versuche, verwirrende Schriftstellen isoliert zu lesen und trotzdem zu verstehen, und unsere kulturellen und politischen Streitigkeiten – manchmal albern und manchmal verheerend.

    Diese Dinge sind nicht unbedeutend. Aber Schwester Penelope erinnert die Leser daran, dass sie höchstens Haine in einem uralten Wald sind, der Tausende von Jahren zurück und in eine unendliche Herrlichkeit vor uns hineinreicht. Nur wenn man sich über die Bäume selbst erhebt, kann man den großen Wald aus der Vogelperspektive betrachten: seine weite und uralte Pracht, seine jungen Triebe an den abgebrannten Stellen, seine verborgenen Täler, voller kleiner Lebewesen, und seine mit Horsten übersäten Gipfel.

    Handwritten note by Sister Penelope

    Briefe von Schwester Penelope, 1965. Bilder zur Verfügung gestellt von Dr. Paul M. Pearson, Direktor und Archivar, Thomas Merton Center, Bellarmine University. Verwendet mit Genehmigung.

    Schwester Penelope gewinnt ihre umfassende Sicht durch das Lesen der Heiligen Schrift im Kontext von Geschichte, Theologie und wissenschaftlichen Entdeckungen. Sie lehrt uns die richtige christliche Erwartungshaltung: zu lernen, wie man die Begegnung zwischen dem Volk und dem geisterfüllten Wort Gottes erkennt, wie sich diese ständig weiterentwickelt und über den Tod hinausreicht.

    In The Coming of the Lord schreibt Schwester Penelope: „Die Hoffnung ist eine christliche Pflicht, die nie dringlicher war als heute und nie so sehr vernachlässigt wurde.“ Dieses dünne Buch wurde in den dunklen Tagen des Jahres 1953 veröffentlicht: ein beängstigendes Jahr, in dem die Sowjetunion ihre erste Wasserstoffbombe entwickelte, neun Monate nach den Vereinigten Staaten. Doch Schwester Penelopes Aufruf zur christlichen Erwartung ist keine Warnung vor dem Jüngsten Tag. Sie beruft sich stattdessen auf den heiligen Bernhard von Clairvaux (ca. 1090–1153), der darüber sinniert, dass der menschliche Körper nach dem Bild der Seele geformt ist. Weil wir Menschen auf zwei Füßen stehen und nicht auf vier, können wir die Welt überblicken.

    Inspiriert von Bernhards Beobachtungen schlüsselt Schwester Penelope den lateinischen Begriff exspectare (erwarten) auf. Ex bedeutet ,aus, von‘, während spectare‚ ,betrachten, schauen, blicken, sehen‘ bedeutet. „Exspectare ist im wörtlichen Sinne eine spezifisch menschliche Übung, etwas, das dem Menschen ebenso eigen ist wie das Sprachvermögen und der schöpferische Gebrauch seiner Hände“. Der Mensch ist also dazu berufen, über sich selbst hinauszublicken. Zu betrachten, zu beobachten, zu erforschen, vorauszusehen. Zeuge zu sein und zu erkennen.

    Wir kennen den vorausschauenden Aspekt der Erwartung – wir erwarten das Kommen Christi und die Auferstehung. Aber exspectare bedeutet auch, sich umzudrehen und zurückzublicken, auf die Muster der Geschichte und der Schrift, die uns helfen, unsere Gegenwart zu interpretieren. Dies erhellt unseren Blick nach vorn, wenn wir das Wirken des Heiligen Geistes und die Handlungsaufforderungen in unserer Zeit und an unserem Ort erkennen. Der christlichen Kunst der Erwartung ist am besten gedient, wenn wir den großen Bogen der christlichen Geschichte erkennen.

    Ruth penelope lawson wurde am 20. März 1890 als Tochter von Frederick und Laura Lawson geboren. In ihren Meditations of a Caterpillar beschreibt sie, wie sie im Alter von zwei Jahren mit ihrem Kindermädchen in die Stadt ging. Penelope, die im Kinderwagen saß, hoffte verzweifelt, dass ihr Kindermädchen an der Kreuzung nach rechts in Richtung des Ladens von Frau Skelding einbiegen würde.

    Obwohl Penelope als ungezogen galt, freute sich Frau Skelding immer sie zu sehen. Indem ihr Frau Skelding zeigte, dass sie sie für liebenswürdig hielt, wurde die Ladenbesitzerin zum Sinnbild dafür, dass der Glaube uns rechtfertigt. Gott sieht uns in Christus und „sieht uns so, als ob wir schon wären, wie Christus ist.… Dieser Glaube Gottes an uns ist die schöpferische Kraft, die in uns nach und nach das Gute verwirklicht, das er beabsichtigt und in gewissem Sinne zuschreibt.“

    Als junge Frau folgte sie einer geliebten Lehrerin, Alice Ottley, in den anglo-katholischen Glauben. Penelope selbst trat in einen der ersten anglikanischen Orden ein, die nach den Reformen Heinrichs VIII. gegründet wurde, den Convent of the Community of St Mary the Virgin in Wantage (daher der Name CSMV). Anfang 1915 legte sie ihre Profess ab und wurde bald darauf nach Oxford geschickt, um die Zulassung zur Theologielehrerin zu erhalten. Dort erwachte ihre Liebe zu Hebräisch, Griechisch und Latein. Ihre lateinischen Übersetzungen, die für Laien und Akademiker gleichermaßen gedacht waren, lesen sich immer noch klar und schön.

    Dieses Studium brachte Schwester Penelope zu ihrem wichtigsten Werk: eine Einladung, die Bibel zu genießen. Dafür muss man, wie sie in The Wood schreibt, auf alle verfügbaren Ressourcen zurückgreifen: „Die Bibel überhaupt zu studieren, isoliert von anderen Zweigen des menschlichen Wissens, wie Geschichte und Wissenschaft, ist wie das Beobachten einer Pflanze außerhalb ihrer Umgebung … so verpasst man die kosmische Bedeutung des Christentums.“ Wie in fast all ihren Schriften, beginnt sie auch hier mit einer kurzen Anleitung zum Lesen der Bibel, geht dann zum Alten Testament über, wendet sich dem Neuen Testament zu und blickt auf das Leben der kommenden Welt. In all das flicht sie ihre umfangreichen Sprachkenntnisse und relevante historische, wissenschaftliche und archäologische Entdeckungen ihrer eigenen Zeit ein.

    Photo of church

    Der Konvent von der Gemeinschaft St Mary the Virgin in Wantage. Foto mit freundlicher Genehmigung von CSMV.

     

    Ihr kommerziell erfolgreichstes Buch, The Wood, wurde erstmals 1935 veröffentlicht und bis in die 1970er Jahre hinein neu aufgelegt. Es folgt diesem Weg, während es über die allumfassende Ausformung der christlichen Geschichte nachdenkt. Wie bei der Frau am Brunnen in Johannes 4, die in einem Prozess entdeckt, wer Christus ist – vom Fremden zum jüdischen Propheten, zum Messias und zum Erlöser der Welt – breitet sich die Offenbarung der Wahrheit langsam und mit viel Arbeit, Gesprächen und menschlichen Fehlern aus. Wir befinden uns immer noch in dieser lebendigen Kirche, also müssen wir auf das fortlaufende Wirken des Geistes achten: „Die Bedürfnisse der Menschen variieren je nach Ort, Ethnie und Zeit, und der Vorrat, aus dem Gott seine Schätze, neue und alte, hervorholt, ist unerschöpflich.“

    Oft sind diese Schätze die Menschen selbst. In ihrer Einleitung zu Über die Menschwerdung des Logos des Hl. Athanasius schreibt Schwester Penelope, dass das Werk „nicht spekulativ, nicht originell … nicht einmal umstritten“ ist. Es handelt sich lediglich um eine „Darlegung des traditionellen Glaubens“ der Kirche. „In gewissem Sinne ist nichts von Athanasius darin zu finden, denn das Wunder des Geheimnisses füllt das ganze Bild aus und lässt dem Autor keinen Raum, sich aufzudrängen. Aber in einem wahren christlichen Paradoxon ist sein ganzes Ich darin, und durch seine Persönlichkeit wird uns die dynamische Wahrheit vermittelt.“

    In ähnlicher Weise könnte man das Werk Schwester Penelopes selbst beschreiben. Ihr verborgenes Selbst, das sie im Kloster und hinter ihrem Pseudonym verbirgt, ist das Medium, das sie benutzt, um die Leser eindringlich auf die Heilige Schrift und das Bild des Waldes, das große Ganze, hinzuweisen.

    Keines der Werke von Schwester Penelope ist auffällig. Ihre Metaphern sind aufschlussreich, aber einfach. In ihrer Korrespondenz gab C. S. Lewis ihr Tipps zum Stil, und sie beriet ihn in puncto Theologie. Es gibt nur wenige Bonmots, die sich zum Herauspflücken aus einem Absatz eignen: solche, nach denen ich instinktiv suche, wenn ich einen Aufsatz wie diesen schreibe, solche, in denen sich Lewis selbst übertraf. Stattdessen baut Schwester Penelope auf. Es sind die Zusammenhänge, die Verbindungen, die man zu erahnen und zu erkennen beginnt. Aus diesem Grund können ihre Bücher etwas repetitiv sein.

    Doch wie die von Schwester Penelope geliebten mittelalterlichen Schriftsteller wussten, wiederholt man, weil die Botschaft so entscheidend ist, dass sie wiederholt werden muss, so tief, dass sie ausgelotet werden muss. Die Wiederholung zugunsten der bloßen Originalität abzulehnen, gefährdet den Prozess des Lernens, wer wir sind und wer Gott ist.

    Der heilige Athanasius versteckt sich und indem er sich versteckt, gibt er paradoxerweise sein ganzes Selbst preis. Im Zeitalter der sozialen Medien und der christlichen Berühmtheit fühlt sich Schwester Penelopes verborgene Kunstfertigkeit fremd an. Sie hat kein öffentliches Selbst, das sie verherrlichen könnte. Sie erledigt einfach die ihr aufgetragene Arbeit.

    Manchmal verleiht diese Schlichtheit ihrem Werk eine besondere Anmut. Es ist sehr schwer, über die Geheimnisse der Endzeit zu schreiben. Spekulationen über das zweite Kommen sind so oft von Egoismus geprägt – Phantasien über Entrückungen und die Qualen der Feinde oder einfach die köstliche Vorstellung, dass wir die ganze Zeit Recht hatten und es nun jeder weiß. Aber als Christen sind wir aufgerufen, die Wiederkunft Christi zu erwarten und uns von dieser Hoffnung und Sehnsucht leiten zu lassen, um zu erkennen, was der gegenwärtige Augenblick erfordert.

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    Schwester Penelope ist eine der klarsten Autorinnen über das Jüngste Gericht, die ich je gelesen habe. Sie verweist mit unerbittlicher Beharrlichkeit darauf, dass wir als Nachfolger Jesu an unserer Liebe erkennbar sind. Das Jüngste Gericht ist „die Manifestation der Wirklichkeit in Bezug auf jede einzelne Seele“, schreibt sie. In diesem „Flutlicht der Welt“ ist Jesus, der Richter, sowohl „das Licht, das flutet, als auch der Maßstab, an dem alle Werte fortan gemessen werden“. Und weiter: „Die Sache, die entscheidet, ist die Liebe, und das Licht, das sie sichtbar macht, ist die Liebe. Deshalb ist es nicht weniger schrecklich.“

    Ihre Meditations of a Caterpillar, die sie mit über 70 Jahren schrieb, geben uns einen Einblick in ihre Vorfreude auf das Schmetterlingsleben der Auferstehung. Eine ältere Schwester erzählte, dass Schwester Penelope im Herzen immer ein junges Mädchen gewesen sei. Schwester Penelope selbst betonte, dass die Entwicklung eines Sinns für Humor eine wesentliche Voraussetzung für das Christsein ist. In ihren letzten Lebensjahren kümmerte sie sich um die Enten in Wantage, die sie frech nach Heiligen benannte. Anselm und Polycarp und andere schwammen unter ihrer Obhut im Teich herum. Ihrem eigenen bevorstehenden Tod begegnete sie mit der gleichen Freude und guten Laune. Schwester Penelope Lawson starb am 15. Mai 1977 in Wantage.

    Schwester penelopes schriften zum Thema Erwartung wurden mit zunehmendem Alter eindringlicher. Jedes Individuum lebt „in einer Kiste, abgeschottet von seinen Mitmenschen“. Diese Worte wirken im Zeitalter der Internet-Kommunikation fast prophetisch. „Echte Gemeinschaft und gegenseitiges Verständnis“, schreibt sie, “sind nur zum Teil möglich.… Selbst praktizierende Christen können jahrelang Seite an Seite miteinander leben und sich doch nie wirklich nahe kommen. Wir halten uns bedeckt und es gibt nur wenige, für die wir unser Herz öffnen.“

    Wir erhoffen jedoch etwas anderes: eine schimmernde Transparenz unseres ehemals undurchsichtigen Selbst, ein Zusammensein mit Aposteln, Vätern, Müttern, Freunden, Heiligen und Fremden. Sie schreibt: „Als die drei Apostel Mose und Elia mit unserem Herrn verklärt sahen, wussten sie spontan, wer sie waren, obwohl sie sie nie leibhaftig gesehen hatten. Wenn Gott mir in seiner Barmherzigkeit jemals erlauben sollte, den Hl. Athanasius oder den Hl. Bernhard oder irgendeinen anderen von denen zu sehen, die ich durch den Versuch, ihre Werke zu übersetzen, zu verehren und zu lieben gelernt habe, werde auch ich sie dann so erkennen?“

    „[All] die verwirrende Ungewissheit des Lebens jenseits des Grabes“, schreibt sie, “ist fest in die eine höchste, transzendente Gewissheit eingeschlossen: für das Glied Christi bedeutet Sterben, bei Christus zu sein und zu erkennen, wie er erkannt ist.“

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    Vom liebevollen Blick Frau Skeldings über Schwester Penelopes Blick der Liebe auf ihre geliebten Brüder, die sie übersetzte, kommen wir zum Ziel der Erwartung. Christus zu erkennen und in ihm erkannt zu werden, ist die ständige Bemühung Schwester Penelopes. Ich stelle mir gerne vor, auf diese Weise ihr selbst zu begegnen, in der wunderbaren Vertrautheit der Verklärung.

    Wenn wir uns der Dunkelheit unserer Zeit stellen, sollten wir Schwester Penelopes Aufruf beherzigen: die Bibel genießen, den großen Wald kartografieren, im Kerzenlicht des fortwährenden Zeugnisses der Vergangenheit und der schimmernden Hoffnung für die Zukunft erkennen, was die Gegenwart verlangt. Es sind nicht die Berühmten und Mächtigen, die diese Arbeit am besten machen. Alle sind dazu aufgerufen, zu erkennen und erkannt zu werden, zu sehen und gesehen zu werden, mit dem eigenen Körper, der stirbt und wieder lebt, in dem einen Leib, der zuerst starb und wieder auferstand. Diesen Leib immer wieder vorwegzunehmen und zu bezeugen, ihn als das zu erkennen, was er ist, ist die Arbeit eines ganzen Lebens.

    Von GraceHamman Grace Hamman

    Grace Hamman ist Schriftstellerin, Rednerin und Literaturwissenschaftlerin.

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